Porträt von Denise Wyss

Fragebogen

Denise Wyss, 59, christkatholische Priesterin

Welche Rolle spielt das Geschlecht für das Priesteramt?

Auf der spirituellen Ebene ist das Geschlecht völlig irrelevant. Es kann aber relevant sein. Ich vermute schon, dass gewisse Menschen – gerade Frauen – anderen Frauen Dinge anvertrauen, die sie einem Mann vielleicht nicht anvertrauen würden. Umgekehrt ist das sicher auch so.

Sind Sie christkatholisch geworden, weil Sie in der römisch-katholischen Kirche nicht geweiht werden konnten?

Nein. In der römisch-katholischen Kirche hätte ich nicht geweiht werden wollen. Ich bin nicht der Typ, der ein Leben lang kämpfen oder sich rechtfertigen will.

Wie meinen Sie das?

Während des Studiums der römisch-katholischen Theologie ist mir das Spannungsfeld von Progressiven und Konservativen aufgefallen. Ich wollte nicht in diesem beständigen «Krieg» leben.

Im Jahr 2000 wurden Sie zur ersten christkatholischen Priesterin der Schweiz geweiht. Was bedeutet Ihnen die Weihe?

Meine Weihe ist der Auftrag meiner Kirche, für mich ist es eine Ordination zu einem ganz bestimmten Dienst. Die Berufung kommt von der Kirche, nicht von mir oder von Gott. Ich sehe das nicht verklärt.

Die Berufung kommt von der Kirche?

Ja, sie kam von der Kirchgemeinde in Baden, im Kanton Aargau, wo ich damals tätig war. Die Leute sagten, bitte sei du Priesterin für uns. Ich wollte das erst gar nicht, dann war es aber etwas Natürliches für mich und ich dachte: Gut, ich mach’s, wenn die Unterstützung so gross ist. Meine Weihe hatte für viele Menschen eine grosse symbolische Kraft, für viele Frauen war es sehr wichtig, auch für viele Männer.

Was sagen Sie dazu, dass die römisch-katholische Kirche keine Frauen weiht?

Ich finde es theologisch einen Fehler, aus traditioneller Sicht ist es nachvollziehbar.

Warum ist es theologisch ein Fehler?

Es ist theologisch falsch, die Männlichkeit von Christus zu betonen. Das Konzil von Chalcedon spricht von der Menschwerdung, und Menschen gibt es als Männer und Frauen und in Zwischenformen.