Gedanken zur Gebetswoche der Einheit der Christen
Dass die Einheit der Kirche im Laufe der Jahrhunderte immer wieder zerbrochen ist, ist vielleicht der grösste, auf jeden Fall aber der längste Skandal im ursprünglichen Sinn des Wortes (σκάνδαλον = Falle, Anstoss, Ärgernis) ihrer Geschichte.
Wie will die Kirche ihren wichtigsten Auftrag erfüllen, nämlich die Liebe Gottes zu verkünden, zu feiern und zu leben, wenn sie selbst gespalten und zerstritten ist? Wenn sie sich im Laufe der Geschichte immer wieder mit Worten und manchmal auch mit Waffen bekämpft hat? Wenn Ehepartner verschiedener Konfessionen unsicher sein müssen, ob sie gemeinsam an den Tisch des Herrn treten dürfen? Kein Wunder, dass viele Menschen innerhalb und ausserhalb der Kirchen Anstoss an den zahlreichen Spaltungen nahmen und nehmen.
Es sollte ja eigentlich anders sein: In ihrem wichtigsten Gebet, dem Eucharistische Hochgebet, ist die Bitte um die Einheit zentral. So heisst es z.B. im Dritten Hochgebet: „Stärke uns durch den Leib und das Blut deines Sohnes und erfülle uns mit seinem Heiligen Geist, damit wir e i n Leib und e i n Geist werden in Christus.“ Und genauso lautet das Motto der diesjährigen Gebetswoche der Einheit vom 18.-25. Januar: Ein Leib und ein Geist! Es wäre eine schöne geistliche Übung, in der Zeit um die Gebetswoche für die Einheit der Christen einmal auf diese Bitte um die Einheit der Kirche im Heiligen Geist genauer zu achten und sie innerlich besonders mitzubeten in der Hoffnung, dass alle Christinnen und Christen einmal auch als Eucharistische Tischgemeinschaft ganz offiziell geeint sein werden.
Und wir können zwei weitere Dinge tun: Uns fragen, wo wir «tun, was eint», wo wir uns für Versöhnung und gegen Spaltung einsetzen. Und wir können eines der intensivsten Gebete Jesu zu eigen machen, das er am Abend vor seinem Tod an seinen und unseren Vater richtet: „Alle sollen eins sein!“ (Joh 17,21)
Martin Conrad