Ich habe elf Jahre lang mit einer Missio gearbeitet. Ich kenne die schöne Seite: Der Bischof beauftragt einen für den kirchlichen Dienst, traut einem etwas zu. Ich kenne aber auch die dunkle Seite. Die subtilen Drohungen, die Angst vor Denunziation: «Das würde ich nicht zu laut sagen – du hast doch eine Missio» – «Ist das, was du tust, noch katholisch?» – «Werdet ihr bald heiraten?» Letztere Frage, von einem Generalvikar zu Beginn der Anstellung an die junge Bewerberin gerichtet, machte Druck. Würde ich die Missio auch bekommen, wenn ich nein sage?
Machtmissbrauch und Angstmache spielen nach meiner Erfahrung vor allem aber auf kollegialer Ebene und auf jener des mittleren Kaders. Es sind Kolleginnen, Kollegen und zum Teil Linienvorgesetzte, die jene Angstkultur weitertragen, unter der sie selbst leiden. Ich habe meine Missio schlussendlich dem Bischof zurück gegeben. Und meine Anstellung als Seelsorgerin gekündigt.
Die Missio wird von vielen Seelsorgenden als Kontrollinstrument wahrgenommen, das repressiv wirkt und verunsichert. Diese Erfahrung schlägt sich nieder in sechs Erkenntnissen, die die Allianz «Gleichwürdig katholisch» aus Gesprächen mit Seelsorgerinnen und Seelsorgern gewonnen und zuhanden der Bischöfe formuliert hatte. In ihrer aktuellen Standortbestimmung lassen die Bischöfe das Damoklesschwert «Missio» daraufhin unverändert hängen: «Seelsorgerinnen und Seelsorger, deren persönliche Lebenssituation von kirchlichen Vorgaben abweicht, wissen, dass dies Konsequenzen für ihren Sendungsauftrag haben kann.» Daran ändert auch die sensible Sprache des Dokuments und der Bezug zu Papst Franziskus nichts. Die Missio bleibt Disziplinierungsmassnahme – in einer Kirche, in der wenig Führungsverantwortung wahrgenommen wird durch echte Leitung.
Die Bischöfe formulieren keine nachvollziehbaren Kriterien für eine «evangeliumsgemässe» Lebensführung.
Das Argument, es gehe um «evangeliumsgemässe» Lebensführung, erscheint als Vorwand: Keine klaren, nachvollziehbaren Kriterien leiten die Bischöfe für eine solche Lebensführung aus dem Evangelium ab. Was bleibt ist die Intransparenz, die Unsicherheit und eben auch die Angst: Angst, zur eigenen sexuellen Orientierung, zu gescheiterten Lebensformen und Neubeginn zu stehen, Angst ebenso, Überzeugungen und Kritik intern frei zu äussern. Was bleibt ist ausserdem die Frage nach der Konsequenz. Die Bischöfe schreiben: «Gleichwohl muss sich auch das private Leben im Licht der Öffentlichkeit abspielen können und darf nicht unter dem Verdikt stehen, nur im Verborgenen gelebt zu werden.» Was bedeutet dies für Priester, von denen dem Vernehmen nach so manche in Beziehungen leben, und die laut der Überschrift der Standortbestimmung («Lebensführung von Priestern, Diakonen, Seelsorgerinnen und Seelsorgern») explizit mitgemeint sind?
Die Synode beschliesst eine Teilrevision der Anstellungsordnung: Ausdruck dafür, dass viele das bischöfliche System in dieser Weise nicht mehr mittragen.
Dass die Motion von Monika Zimmerli nun in der Synode der Katholischen Kirche im Kanton Zürich mit grosser Mehrheit eine Teilrevision der Anstellungsordnung erreicht hat, ist mutig und wichtig. Es ist ein klarer Ausdruck dafür, dass viele Katholikinnen und Katholiken – werden sie gefragt – das bischöfliche System in dieser Weise nicht mehr mittragen.
Inhaltlich tun sich aber Fragen auf: Was, wenn zum Beispiel einer Pfarreiseelsorgerin die Missio entzogen würde, nicht etwa, weil sie mit einer Frau verheiratet ist; sondern weil der Bischof ihre Weise, Gottesdienst zu feiern, als «liturgischen Missbrauch» qualifiziert? Die Kirchgemeinde darf sie weiterhin beschäftigen – ohne Missio allerdings nicht im Verkündigungsdienst. In welcher Rolle arbeitet jene Seelsorgerin dann in der Gemeinde? Generalvikar Varandas unterstreicht im Interview mit kath.ch: «Die Anstellung geschieht im Einvernehmen (innerhalb des dualen Systems, Anm.), wenn dieses Einvernehmen nicht mehr gegeben ist, so kann die Anstellung im Verkündigungsdienst nicht weitergeführt werden.»
Interessant ist darüber hinaus: Mit Urs Länzlinger, dem Personalverantwortlichen des Generalvikars, hat das bischöfliche Ordinariat die konkrete Vorlage zur Teilrevision der Anstellungsordnung selbst mit vorbereitet. Während sich die Bischöfe nach aussen hin also unveränderbar in der Linie geben, arbeiten sie nach innen an regionalen Lösungen mit, die Lebensrealitäten, Bedürfnisse und nicht zuletzt das Arbeitsrecht doch berücksichtigen. Das stiftet Verwirrung, erhöht die Unsicherheit und vertieft den Graben zwischen bischöflichen Standpunkten und gelebter kirchlicher Realität. Es bringt die Körperschaft und Kirchgemeinden ausserdem im (seltenen) Fall eines ausgesprochenen Missio-Entzugs unter Zugzwang. Mitunter müsste eine Anstellungsbehörde entscheiden zwischen ihrem guten Verhältnis zum Bischof und zum Generalvikar, von dem beide Seiten im dualen System abhängen – und der Durchsetzung der eigenen Anstellungsordnung zugunsten eines betroffenen Mitarbeiters oder einer Mitarbeiterin.
Der Entscheid der Synode bleibt mutig und wichtig. Er gibt Angestellten in diesem komplexen System realpolitisch mehr Sicherheit. Und er zeigt das Potential des dualen Systems: Wo die Bischöfe stehen bleiben, kann die Kirche doch einen Schritt weiter gehen.