Es ist, als stünde man auf einer Kommandobrücke: Die mandelförmige Insel mit ihrer Klosteranlage liegt im Rhein, als wäre sie ein Schiff, vor Anker gegangen, um ein wenig auszuruhen. Still, fast unmerklich zieht der Fluss an ihr vorbei, teilt sich an ihrem Bug in Gross- und Kleinrhein, um sich an ihrem Heck wieder zu vereinen.
Monika von Känel, langjährige Sakristanin, erklärt die Lage mitten in der Rheinschlaufe: «Wir sehen das doppelte S, das der Rhein hier zieht vom Rheinfall her.» Dass sie von «mystischer Geografie» spricht, lässt sich unmittelbar nachempfinden. Sie zitiert den ebenfalls langjährigen Pfarrer Rolf Maria Reichle: «Hier ist der einzige Ort zwischen Chur und dem Meer, an dem der Rhein nach Osten fliesst: Symbol dafür, dass Jesus die Quelle ist!» Osten als Richtung der aufgehenden Sonne gilt nämlich in der Überlieferung als Ort, von dem her Jesus Christus am Ende der Zeit erwartet wird; viele Kirchen sind nach Osten ausgerichtet, so auch die Klosterkirche Rheinau.
Geografisch ist Rheinau von Osten her, aber auch von Norden und Westen von Deutschland umgeben, mit dem Auge sichtbar ist der Grenzverlauf nicht. Eines geht ins andere über, auch im Blick auf Natur und Kultur: Dichter Wald an den langen Flussufern, wie unberührt – hinter der nächsten Biegung das Wasserkraftwerk. Und ebenso Geschichte und Gegenwart: Mittelalterliche Patrizierhäuser so weit das Auge reicht – bis man den knallgelben Postbus entdeckt.
Auch wenn seit 1862 kein Benediktinerkloster mehr, sind doch vor allem Klostermauern zu sehen. Sie beherbergen heute unter anderem die Stiftung «Musikinsel Rheinau» und eine spirituelle Weggemeinschaft. Die Klosterkirche lebt als geistlicher Ort: durch die Pfarrei, die hier feiert und betet, und durch die Wallfahrerinnen und Wallfahrer.