Zürich regional

«Ich versuche, die Situation mit auszuhalten»

Olivia Burri, Spitalseelsorgerin Frauenklinik und Neonatologie des USZ

Wenn ein Kind nach längerer Zeit auf der Neonatologie nach Hause kann, ist das für die Familie ein ganz besonderer Moment. Auf Wunsch gestalte ich ein Ritual für den Spitalaustritt, um die Entwicklung und die Fortschritte des Kindes zu feiern. Wir würdigen, was die Familie gemeinsam mit dem Spitalpersonal während dieser Zeit gemeistert hat, und bitten um Kraft für den Alltag zu Hause. Auf der anderen Seite der Gefühlspalette steht die Begleitung von Eltern, die ein Kind verloren haben. Für die betroffenen Menschen bedeutet das eine grosse Krise, in der sie Verzweiflung, Überforderung und Trauer erleben. In meiner Jugendzeit hatte ein nahes Familienmitglied einen schweren Unfall, es ging um Leben und Tod. Diese Erfahrung hat mich geprägt und in gewisser Weise auch meine Berufswahl beeinflusst. Sie ist sicherlich auch eine Ressource, wenn ich Menschen in Krisen begleite. Ich kann erahnen, wie es Menschen geht, wenn sie um das Leben eines geliebten Menschen bangen müssen – auch wenn jeder einzelne Fall immer anders ist und für sich steht. Mein Beruf ist sehr erfüllend. Ich erlebe es als sinnstiftend und Privileg, Menschen in so sensiblen Momenten beistehen zu dürfen. Ich hoffe, dass sie sich dabei gesehen, verstanden und bestärkt fühlen. Ich versuche, die Situation mit auszuhalten, bin zugewandt und da. Nach intensiven Begleitungen nehme ich mir eine Pause – gehe an die frische Luft und trinke ein Glas Wasser, um wieder ganz bei mir anzukommen und wieder bereit für eine nächste Begleitung zu sein. Als Ausgleich höre ich auf dem Heimweg Musik, etwas fürs Herz, Soul, oder Rock, was mir Energie gibt. In der Freizeit suche ich leichte Momente voller Humor und Lebensfreude. Wenn ich am Wasser bin, bin ich glücklich und halte die Schönheit der Natur mit dem Fotoapparat fest. (bl)