Die Regenwald-COP, zu der so viele Vertreter indigener Völker wie noch nie gereist sind, ist vorbei. Das abschliessende «Mutirão Decision Document», in dem die Teilnehmenden sich gleich bei vier strittigen Fragen auf ein Paket an Entscheidungen einigen sollten, ist verfasst und unterzeichnet. Minister und Regierungschefs aus mehr als 190 Nationen sollten sich auf Massnahmen einigen, durch die unter anderem die Erderwärmung gebremst, Gelder aufgetrieben, die Entwaldung aufgehalten und der Ausstieg aus fossilen Brennstoffen festgeschrieben werden. Doch das Dokument bleibt hinter den Erwartungen zurück. Die vom brasilianischen Präsidenten, Luis Inácio Lula da Silva, angestrebte Roadmap für den Ausstieg aus fossilen Brennstoffen ist beispielsweise nicht darin enthalten. Das am Samstagnachmittag (Ortszeit) verabschiedete Dokument schreibt auch keinen Zeitplan für die Reduzierung der Entwaldung fest. Viele Formulierungen bleiben vage und unverbindlich: etwa, es sei wichtig «die Natur und die Ökosysteme zu bewahren, zu schützen und wieder herzustellen», oder die Entwaldung sei bis 2030 zu beenden. Auch die Finanzlücke ist nicht geschlossen. Bis 2035 sollen die Mittel zur Klimaanpassung verdreifacht werden, heisst es.
Dennoch werten manche die COP30 als Erfolg. Nach Jahren der Treffen in nicht-demokratischen Ländern, waren in Belém Volksproteste möglich und unübersehbar. Dutzende Indigene hatten etwa am vergangenen Mittwoch die Konferenzräume gestürmt, andere eine Sitzblockade vor dem Haupteingang organisiert. Umweltministerin Marina Silva, Indigenen-Ministerin Sonia Guajajara und Gastgeber André Corrêa de Lago haben sich ihre Forderungen angehört, unter anderem das Aus für Grossprojekte in indigenen Gebieten, die Annullierung von zwei Projekten, die einen der Hauptflüsse in eine Verkehrsader verwandeln und eine Eisenbahntrasse durch Waldgebiet treiben würden. Mehr Demarkierungen von Territorien, mehr Mitsprache. Vorangegangen ist es vor allem in einem Punkt: Die Demarkierung von zehn indigenen Territorien ist offiziell angekündigt, in einigen Fällen sogar abgeschlossen. Der Abschlusstext betont zudem zum ersten Mal überhaupt, in welch hohem Masse sowohl indigene als auch afro-brasilianische Volksgruppen massgeblich zum Klimaschutz beitragen.
Schleppende Verhandlungen. Doch die Realität tropfte in Form von tropischem Starkregen gelegentlich durch die Dächer.
Insgesamt waren die Verhandlungen in Belém allerdings schleppend verlaufen. Die Welt hatte sich in Tagungsräumen in einer weissen Zeltstadt im neu angelegten Parque da Cidade getroffen; in klimatisierten fensterlosen Räumen. Doch die Realität schaffte es, in Form von tropischem Starkregen gelegentlich durch die Dächer zu tropfen, und die überforderten Klimaanlagen wechselten zwischen feuchtheissem Versagen und eiskaltem Unterkühlen.
Einige Positivbeispiele waren ausserhalb der Verhandlungsräume zu finden. So haben 46 kirchliche Geldinstitute beschlossen, nicht mehr in fossile Energie zu investieren. Eine Zentrale für Brandbekämpfung ist entstanden, die unter anderem indigene Gemeinschaften unterstützen soll. Der neue Tropenwaldfonds TFFF – ebenfalls eine Initiative des brasilianischen Präsidenten – ist gegründet und Deutschland beteiligt sich mit einer Milliarde USD. Die Schweiz hat bisher keine Zusage gemacht, in den Fonds TFFF einzuzahlen. Der umstrittene Fonds weist mit zurzeit 6,6 Milliarden USD erst einen Bruchteil der ursprünglich erhofften Einlagen von 10–25 Milliarden auf, kann aber immerhin direkte Unterstützung an traditionelle Gemeinschaften leisten.
Der aktuelle Methan-Report nährt eine weitere Hoffnung: Er stellt ein Sinken des Methan-Ausstosses für die nahe Zukunft in Aussicht. Dazu führen kostengünstige Massnahmen wie die Reparatur von Lecks bei der Produktion fossiler Brennstoffe oder vermehrtes Recycling und Kompostieren. Weniger Methanausstoss hat eine sofort sinkende Erderwärmung zur Folge – und weitere Massnahmen in dieser Richtung könnten eher konsensfähig sein als der Verzicht auf die fossilen Brennstoffe.
Kirchen und Hilfswerke an der Klimakonferenz
Bernd Nilles, Direktor von Fastenaktion und Präsident des Dachverbands der katholischen Hilfswerke (CIDSE), berichtet im Interview mit Vatican News über die Rolle der katholischen Kirche bei den Verhandlungen in Belém. Diese bringe keine technischen Details ein, sondern konzentriere sich darauf, die richtigen Fragen zu stellen. Die Kirchen sorgten sich um die Kluft zwischen den Zusagen der Regierungen und den tatsächlich notwendigen Massnahmen zur Einhaltung der globalen Klimaziele.
Wenn die Regierungen nicht mehr Ehrgeiz an den Tag legten, werde die globale Temperatur zu stark ansteigen, warnte Nilles, was viele Menschen in Hunger und Armut stürzen werde.
Durch den Hinweis auf die Enzyklika Laudato si von Papst Franziskus könne die Kirche Stellung beziehen auf der Seite der Ärmsten und Verwundbarsten. Die Verhandler nähmen die Stellungnahmen der Kirche wahr und bezögen sich auf sie, was ihn hoffnungsvoll stimme.
An der Klimakonferenz in Belém war neben einer Delegation von Fastenaktion auch eine fünfzehnköpfige Schweizer Delegation aus Wissenschaft, Gewerbe und der Zivilgesellschaft vertreten. Behördendelegierte aus dem Bundesamt für Umwelt und dem Staatssekretariat für Wirtschaft wie auch eine Jugenddelegierte nahmen teil. Der Bundesrat war vertreten durch Albert Rösti.
Insgesamt hat sich in Belém wieder einmal die Diskrepanz zwischen indigenen Wertesystemen und westlichem Profitdenken gezeigt: Die traditionellen Völker sehen sich als Teil der Natur und im auf Gewinn ausgerichteten kapitalistischen System die Ursache für die Klimakrise, während die Regierungen dieses System, das vor allem die Länder des globalen Nordens begünstigt, bestenfalls ein wenig anpassen wollen.
Kirchenoberhaupt Papst Leo XIV. mahnt: «Ein Drittel der Menschheit lebt in einer Situation grosser Verwundbarkeit wegen dieser klimatischen Veränderungen. Für sie ist der Klimawandel keine ferne Drohung. Diese Menschen zu ignorieren, würde bedeuten, unser gemeinsames Menschsein zu leugnen!»
Die COP30 ist vorüber, Brasilien hält bis zur nächsten Konferenz den Vorsitz bei Klimaverhandlungen. Präsident Lula will seine Idee der Roadmap für den Ausstieg als brasilianische Initiative im Laufe des nächsten Jahres weiterverfolgen. Es bleibt den einzelnen Nationen überlassen, ob sie sich einer solchen Selbstverpflichtung anschliessen. Die kirchliche Organisation Misereor urteilt vernichtend: Die Staatengemeinschaft habe es versäumt, für mehr Klimagerechtigkeit zu sorgen. Denn, ob den vagen Worten dringend notwendige Taten folgen werden, ist mehr als fraglich.
Dieser Beitrag erschien zuerst im Lichtblick, Römisch-katholisches Pfarrblatt Nordwestschweiz.