Ángela und Héctor leben in der Bubble eines jungen Paares, das sein erstes Kind erwartet. Ihre Zweisamkeit scheint sogar besonders innig, weil sie so leise und behutsam ist. Das hat seinen Grund: Die Beiden verständigen sich in Gebärdensprache, weil Ángela gehörlos ist. Und wenn nötig übersetzt Héctor für Ángela. Sie ist für ihn das Zentrum ihrer kleinen Welt und er für sie.
Erst im Verlauf der Schwangerschaft wird ihnen bewusst, dass ihr Kind hörend oder gehörlos zur Welt kommen kann. 50:50 stehen die Chancen, sagt die Ärztin. Und allmählich realisieren Ángela und Héctor, dass ihr Kind in die eine oder in die andere Sphäre geboren wird.
Eva Libertad erzählt mit ihrer gehörlosen Schwester Míriam Garlo in der Hauptrolle eine ganz leise, sehr persönliche Geschichte, die aufgesetztes Gefühlskino bewusst vermeidet. Es ist deshalb nur konsequent, dass «Sorda» auf Filmmusik verzichtet.
Dieses Beziehungsdrama kommt ohne Standards wie fatale Missverständnisse, sich bekämpfende Egos oder triumphale Versöhnung aus. Ángela, ihre Eltern, Héctor, die gemeinsamen Freunde – ob gehörlos oder hörend – alle wollen sie es gut machen. Und niemand macht es falsch, höchstens etwas ungeschickt. Ángela und Héctor müssen sich mit einer zerrissenen Welt auseinandersetzen, die niemandes Schuld ist.
Die stille Sensibilität und Leichtigkeit von «Sorda» ist das Geschenk dieses Films. Er ist anrührend intim und wahrt gleichzeitig respektvoll die Intimsphäre aller Figuren. Er zwingt uns die Empathie nicht auf, sondern lädt uns dazu ein.
Wie entscheidend es ist, dafür jede effektvolle Dramatik zu vermeiden, zeigt sich im letzten Drittel von «Sorda». Formal überraschend und herausfordernd, wird nun die Universalität der Erzählung sogar körperlich spürbar. Es geht um jene Fragen, die sich allen Menschen und allen Beziehungen stellen: Sind wir fähig, unsere Sphäre mit anderen Sphären zu verbinden? Und kriegen wir das Kunststück hin, selbst in der engsten Verbindung unsere eigene Sphäre zu bewahren?
— «Sorda» von Eva Libertad / Spanien 2025
Míriam Garlo, Álvaro Cervantes, Elena Irureta, Joaquín Notario / ab 6. November im Kino
Am Dienstag, 11. November, um 18:30 Uhr schauen wir uns im Arthouse Piccadilly den Film des Monats «Sorda» an.
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