Zürich regional

«Sie glaubten an mich – den Rebell»

Bruno Willi, Leiter HIV-Aidsseelsorge

Als ich 16 war, starb ein Nachbar an Aids. Seither ist dieses Thema in meinem Herzen. Heute gibt es gute Medikamente gegen HIV. Bis 2018 hatten sie so starke Nebenwirkungen, dass man sie erst nach Ausbruch der Krankheit bekam. Heute sofort nach der Diagnose, Betroffene sind damit nicht mehr ansteckend. Das Problem: diese Kenntnis haben 64 Prozent der Bevölkerung nicht. Und von jenen, die es wissen, glaubt es die Hälfte nicht. HIV/Aids ist immer noch mit Scham und Angst behaftet und wird negativ konnotiert. Deshalb fällt es Betroffenen so schwer, sich zu outen. Als Bauernbub musste ich auf dem Hof arbeiten und hatte keine Zeit für Hausaufgaben, entsprechend schlechte Noten. Die versprochene Lehrstelle wurde im letzten Moment abgesagt. Der Berufsberater schlug das Gymnasium vor. Mein Sek-Lehrer fand, ich sei zu rebellisch. Das war für das katholische Gymi St. Clemens gerade ein Grund, mich aufzunehmen. Mir gefiel es dort super. Ich studierte Religionslehrer, später Theologie und Sozialarbeit. Mein erstes Praktikum war in der kirchlichen Gassenarbeit. Wir gaben Kondome an Drogenabhängige ab und arbeiteten in der Prävention. Als ich vor 18 Jahren als HIV-Aidsseelsorger begann, war mir das Thema total vertraut. Heute entwickeln wir uns weiter in Richtung Seelsorge für vulnerable queere Menschen, sind aber weiterhin für HIV/Aids-Betroffene da, denn ihre Krankheit ist immer noch hochtabuisiert. Seelsorge ist vor allem zuhören und die Menschen frei erzählen lassen, ohne Bewertung. So finden sie in ihrem Inneren neue Kraft für ihren nächsten Schritt. Beruflich arbeite ich hoch flexibel und kreativ, jeder Tag, jeder Mensch ist anders. Zur Erholung bin ich in meinem Haushalt sehr ordentlich und strukturiert, habe feste Morgen- und Abendrituale.