Buddhismus: Zen
Per se mystisch ist der Buddhismus. Es geht um Erlösung durch eigenes Bemühen mit dem Ziel, sich von den Begierden des Lebens zu befreien und aus dem leidvollen Rad der Wiedergeburt auszubrechen. Eines der Mittel ist die Meditation: Die geistige Versenkung bewirkt tiefere Einsichten in die innerste Einheit der Welt und geistige Gelassenheit. Aus dem japanischen Zen-Buddhismus entwickelten sich spezifische Künste wie Schwertkampf, Bogenschiessen, Kalligrafie und Teezeremonie.
Judentum: Kabbala
Magische Praktiken, Amulette, Glücksbringer, Zahlenmystik und die geheimnisvolle Kraft der hebräischen Schriftzeichen: diese und andere «spirituelle Werkzeuge zur Selbstverbesserung» vermittelt das Kabbalah Centre, das Anhängerinnen wie die US-Stars Madonna oder Demi Moore hat. Laut Kritikern bleibt diese Form der jüdischen Mystik jedoch an der Oberfläche. Die traditionelle jüdische Kabbala hingegen ist ein intellektueller und zugleich emotionaler Weg zur Gotteserfahrung, der sich im frühen 13. Jahrhundert in Südfrankreich entwickelte. Es geht darum, Gott durch das Studium der überlieferten Schriften nicht nur distanziert intellektuell zu erkennen, sondern «wahrhaftig in sich aufleben zu lassen», wie Rabbi Jacob Immanuel Schochet (1935–2013) schreibt.
Islam: Sufismus
Als im mittelalterlichen Persien die Gesetzlichkeit im Islam immer ausgeprägter wurde, entstand als Gegenbewegung eine mystische Strömung. Diese leitet dazu an, Gott unmittelbar zu erleben, im Rahmen von spirituellen Übungen wie Gebetsmeditationen, Musik und Tanz. Gelebt wird sie in Sufi-Gemeinschaften, zu denen im heutigen Iran Menschen aus allen Schichten und Berufen gehören. Es gibt sie auch in der Türkei, den USA und der Schweiz. Die Mystik hat weit über den Sufismus hinaus die persische Philosophie und Literatur beeinflusst. Bedeutender Sufi-Denker war im 13. Jahrhundert der Dichter Jalaluddin Rumi. Er wird bis heute in vielen Sprachen gelesen, in den USA gehört er zu den meistverkauften Dichtern.
Christentum: Unio mystica
Die christliche Mystik entstand in den Klöstern des Mittelalters als Gegenbewegung zur rational und philosophisch betriebenen Theologie an den Universitäten. Ziel der christlichen Mystik ist die «unio mystica», die Vereinigung mit Gott, beziehungsweise das tiefe Spüren von Gottes unmittelbarer Gegenwart. Dies kann bei geistlicher Lektüre, beim Gebet, in Meditation und Kontemplation entstehen. Meister Eckhart, Bernhard von Clairvaux, Johannes vom Kreuz, Teresa von Avila, Hildegard von Bingen oder Niklaus von Flüe sind nur einige der bekannten Mystikerinnen und Mystiker.
Dieser Text ist entstanden für «zVisite».
zVisite ist eine Kooperation von reformiert., die evangelisch-reformierte Zeitung, Forum, katholisches Magazin des Kanton Zürich, tachles, das jüdische Wochenmagazin, Lichtblick, Zeitung der römisch-katholischen Pfarreien des Kantons Aargau, Christkatholisch, Zeitschrift der Christkatholischen Kirche, Kirchenbote, evangelisch-reformierte Zeitung BS, BL, SO, SH und Zentralschweiz und dem katholischen Pfarrblatt Bern.
Bilder mit Raum für Stille
Das Schweizer Kunstduo Gen Atem und Miriam Bossard besprayte für das zVisite-Dossier «Mystik» Fotografien, um bestimmte Bildbereiche mit Farbschichten gezielt zu verdecken. So schafft es sowohl Irritation als auch Raum für Stille, Kontemplation und Deutung.