Glauben im Gegenwind

Er ist für sein Glaubenszeugnis berühmt geworden. Der Journalist und Autor Tobias Haberl ist in Zürich aufgetreten und hat mit seinem Mut auch hier das Publikum fasziniert. Aber auch Fragen aufgeworfen.

Porträt von Tobias Haberl draussen in der Natur
Tobias Haberl steht für seinen Glauben ein, auch wenn der Zeitgeist ihm entgegen pfeift.

Tobias Haberl hat mit seinem Glaubenszeugnis einen Bestseller geschrieben. Seit einem Jahr befindet er sich mit seinem Buch «Unter Heiden. Warum ich trotzdem Christ bleibe» auf Lesereise. Am Freitag, 24. Oktober hat er in Zürich anlässlich des Festivals «Zürich liest» im Pfarreizentrum Liebfrauen Halt gemacht.

Der grossgewachsene Bayer redet mit fester Stimme viel und schnell, gerade so, als wolle er keine Sekunde vergeuden, um von seinem Glauben zu künden. Denn seit den Skandalenthüllungen komme die katholische Kirche medial nur noch im Zusammenhang mit sexuellem Missbrauch vor. «Weite Teile der Gesellschaft haben beschlossen, die Kirche für das Böse schlechthin zu halten», sagt Tobias Haberl. Schlechte Presse, Prestigeverlust, hohe Austrittszahlen, gesellschaftliches Unverständnis gegenüber gläubigen Menschen. In seinem Buch schreibt er: «Es ist, als wäre die eigene Identität bedroht, als müsste man sich schämen oder irgendwie tarnen.» Aber das liegt dem Journalisten nicht. Er ist nicht der Typ, der klein beigibt, der sich aus dem Staub macht, weil ihm gerade der Zeitgeist ins Gesicht weht, wie er es selbst formuliert.

Die Idee für den Text kam Tobias Haberl, Redaktor beim Süddeutsche Zeitung Magazin, als er auf die Schnelle einen Beitrag für die Osterausgabe von vor zwei Jahren liefern sollte. Kurzerhand schlug er an der Redaktionskonferenz vor, darüber zu schreiben, wie es sich anfühlt, als gläubiger Katholik unter nicht gläubigen Menschen zu leben, die seinen Glauben auch noch für etwas Rückständiges halten.

Die Idee stiess bei der links liberalen Chefredaktion auf Interesse, nicht weil sie seiner Meinung gewesen wären, sagt der Journalist, sondern weil sie die gesellschaftliche Relevanz des Themas erkannt hätten. Tobias Haberl schrieb darauf ein modernes Glaubensbekenntnis und erzählte von der «strahlenden Seite» seiner Religion. Über 500 Mails erhielt er darauf mit Zuspruch für sein Bekenntnis und Dank für seine Offenheit. Mit seinem Artikel hatte er offensichtlich das Lebensgefühl vieler Christinnen und Christen erfasst. Der vielbeachtete Artikel motivierte den Journalisten, das Buch zu schreiben.

Grosses Interesse hatten auch die rund 100 Besucherinnen und Besucher im Pfarreizentrum Liebfrauen in Zürich. Unter ihnen befanden sich auch einige jüngere Menschen, wie Tobias Haberl sofort zur Kenntnis nahm, da er oft vor einem älteren Publikum lese, wie er einräumte.

Der Autor scheut sich nicht, mit den «zeitgeistigen» Entwicklungen der Gläubigen und der Kirche ins Gericht zu gehen: Unregelmässiger Kirchgang, sporadisches persönliches Gebet, Coaching statt Beichte, inkonsistente Glaubensgewissheiten. Haberl mahnt im Gespräch mit dem Publikum die fehlende Rechtgläubigkeit an und entlarvt die woke Scheinheiligkeit, die Diversität rufe und Widerspruch nicht ertrage. So wird die Lesung stellenweise zur flammenden Predigt und es wundert nicht, dass sich der Prediger seit Erscheinen des Buches überlegt hat Theologie zu studieren. Vom Studium sehe er vorläufig ab, aber der Bücherstapel mit theologischen Werken auf seinem Arbeitstisch wachse ständig in die Höhe.

Tobias Haberl hat sich mit theologischen Argumenten ausgestattet, um zu seinem Glauben zu stehen und ihn zu erklären. Etwa damit, dass wer wisse, gar nicht glauben müsse. Oder dass die Erfahrung von Leid, erst zu Tugenden wie Verantwortung, Solidarität und Empathie führe. Strukturellen Fragen aus dem Publikum etwa zu Autorität in der Kirche oder zu ihrem politischen Engagement weicht der Autor aus. Etwa in dem er sagt, dass er mit weiser Autorität gut umgehen könne und ihn das christliche Leben mit seinen Regeln vor dem Chaos der Lustgetriebenheit bewahre. Oder dass in einer Kirche, die sich zu sehr mit ihren Strukturen beschäftige, das Wesentliche – der Glaube – zu kurz komme.

Der Autor, der nach eigenen Aussagen seinen Glauben gern für sich selbst lebt und sich nicht in einer Kirchgemeinde engagiert, macht sich wenig Sorgen über die Kirche in Europa von Morgen. Die Vision einer Kirche der Wenigen – kleine Gemeinden, die aber umso fester im Glauben stehen – schreckt ihn nicht. Der Blick auf die Weltkirche, die wächst, stimmt den Autor zuversichtlich und ist vielleicht auch das Thema für ein nächstes Buchprojekt.

Das Publikum im Pfarreizentrum applaudiert. Die einen, weil sie die Meinungen des Autors teilen, die anderen vielleicht, weil sie seinen Mut, zum eigenen Glauben zu stehen bewundern. Seit seiner Lesereise und den vielen Begegnungen mit gläubigen Menschen, habe sich sein Glaube gefestigt, sagt der Autor und durch die Recherchen sei er konservativer geworden. Er gehe heute lieber in die Kirche und seine Religion erscheine ihm immer weniger als Pflicht. Die Frage, ob er nicht Angst habe, dass die falschen Leute ihm auf die Schultern klopfen könnten, verneint Tobias Haberl. Dennoch drängt sich der Gedanke auf, ob der Autor sich mit seinem Zeugnis nicht zum Sprachrohr einer Institution macht, die er mit mehr Innensicht kritischer ins Visier nehmen würde.

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