Als ich auf den Philippinen lebte, fanden gerade Präsidentschaftswahlen statt. Ein ehemaliger Bürgermeister der drittgrössten Stadt präsentierte sich als starker, unbürokratischer und kompromissloser Anführer, der das Land aufräumen würde. Er gewann die Wahl und amtete sechs Jahre lang. Heute wird ihm vom Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag der Prozess gemacht wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Solche Charaktere gibt es in der Welt der Politik einige. Und sie scheinen nicht aus der Mode zu kommen. Im Gegenteil. Untersuchungen der deutschen Friedrich-Ebert-Stiftung zeigen, dass die Zufriedenheit mit demokratischen Regierungsformen weltweit abnimmt und immer mehr Menschen die Vorstellung positiv bewerten, dass ein «starker Mann» an der Spitze unabhängig von demokratischen Strukturen im Alleingang handelt.
Ich kenne den Frust, der aufkommt, wenn sich in endlos scheinenden Diskussionen einfach nichts bewegen will. Wenn die Verantwortung herumgeschoben wird. Wenn Strukturen so hoffnungslos träge wie unübersichtlich sind. Die Geschichte zeigt aber, dass das Abtreten der eigenen Verantwortung mit der Verleihung von Macht an einen «starken Mann» an der Spitze nicht die Antwort sein kann. Der ehemalige Präsident der Philippinen bezeichnete die Kinder, die aufgrund seiner «Politik» auf den Strassen getötet wurden, als «Kollateralschäden». Ähnlich abscheuliche und zahlreiche subtilere Beispiele gab und gibt es an vielen Orten der Welt.
Die jüdisch-christliche Überlieferung hat ein grosses Erbe vehementer Kritik von Propheten an rücksichtslosen Formen von Machtausübung. Christinnen und Christen haben ausgehend von dieser prophetischen Tradition und mit ihrem Blick von Golgotha aus allen Grund, ihre Stimmen gegen solche potentatischen Dynamiken zu erheben und bessere Wege aufzuzeigen – sei es in politischen, wirtschaftlichen oder religiösen Belangen. Ich wünschte, sie wären noch viel hörbarer.