Anno Domini

1799: «Über die Religion»

Die 1799 anonym publizierte Schrift «Über die Religion» geht den Fragen über das Verhältnis von Glaube und Vernunft, Individuum und Institution nach. Die Religion sei im Menschen angelegt, völlig unabhängig davon, zu welchem Weltbild man sich bekenne. Deshalb könne Religion auch nicht in Opposition zur naturwissenschaftlichen Erkenntnis stehen, sei aber genauso wenig einer bestimmten Moral oder einem bestimmten Glauben verpflichtet. Der Autor bringt es auf eine Kurzformel: «Ihr Wesen ist weder Denken noch Handeln, sondern Anschauung und Gefühl.» Bald wird der Name, der hinter dieser  Schrift steht, bekannt: Friedrich Daniel Ernst Schleiermacher, 1768 im schlesischen Breslau geboren. Er wird mit seinem Denken so einflussreich, dass er «Kirchenvater des 19. Jahrhunderts» genannt wird. Wie er den Menschen in seiner individuellen, emotionalen Religiosität beschreibt, das macht ihn zu einem Vordenker der Romantik. Bis heute entdeckt man seine Spuren in der Haltung «Ich glaube an ein höheres Wesen … aber ich bekenne mich nicht zu einem bestimmten Glauben.» Dafür wird Schleiermacher bis heute als einer gepriesen, der den Glauben in die Moderne gedacht habe, und gleichzeitig als einer kritisiert, der den christlichen Glauben bis zur völligen Unverbindlichkeit verwässert habe.