Es wird ein besonderer Tag: Am Samstag der Missiofeier erhalten Marta Novak und Anika Trütsch nach einer langen theologischen Ausbildung ihren kirchlichen Auftrag zur seelsorgerlichen Arbeit. So unterschiedlich ihre Lebens- und Berufswege auch verlaufen sind, so ähnlich ist ihre Begeisterung für ihren Dienst am Glauben.
«Bei mir war der Tod meiner Grossmutter das Berufungserlebnis», erzählt Anika Trütsch. Sie stammt aus einer gut katholischen süddeutschen Familie und kam mit zwölf Jahren in die Schweiz. Eigentlich wollte sie die Hotelfachschule besuchen. «Und dann möglichst ein Hotel mit vielen Sternen führen», sagt sie und muss über ihre damaligen Pläne selber lachen. Doch es kam anders: Als ihre geliebte Grossmutter starb, erfuhr sie, dass diese bis zuletzt täglich Besuch von einer Ordensschwester erhalten hatte – zuerst im Altersheim, dann im Spital.
Ein Mensch, der einem anderen seine Zeit schenkt, macht das kostbarste Geschenk überhaupt.
«Ein Mensch, der einem anderen seine Zeit schenkt in einer Welt, in der alle immer zu wenig Zeit haben, macht das kostbarste Geschenk überhaupt», sagt Trütsch. Diese Erkenntnis prägte ihre Trauerzeit und wurde zur inneren Wende. «Ich bin ein sehr zielorientierter Mensch», sagt sie. Also klopfte sie bei ihrer Wohnpfarrei in Stans NW an, mit dem Wunsch, sich freiwillig zu engagieren – getrieben von dem Wunsch, ihre Zeit zu verschenken.
Im Team kam sie gut an – und wurde bald gefragt, ob sie sich nicht zur Religionspädagogin ausbilden lassen wolle. Da sie ohnehin noch auf einen Platz an der Hotelfachschule wartete, begann sie das Studium an der Universität in Luzern mit Schwerpunkt Kind, Jugend und Familie. «Es packte mich so sehr, dass ich nach zwei Jahren der Hotelfachschule absagte, als diese mir endlich einen Platz anbot.» Vier Jahre später schloss sie das Studium ab – 2020 lernte sie ihren heutigen Mann kennen, einen Stäfner, heiratete und zog mit ihm zusammen.
Nach fünf Jahren in der Wallfahrtspfarrei Sachseln meldete sich bei Trütsch «ein riesiger Hunger nach mehr Theologie». Sie arbeitete zu 80 Prozent als Jugendseelsorgerin in der Pfarrei in Gossau ZH weiter und schrieb sich parallel für das Theologiestudium an der Hochschule Chur ein. Innerhalb von vier Jahren absolvierte sie sowohl den Bachelor- als auch den Masterabschluss in Theologie – und erfüllte damit die Voraussetzungen zur Seelsorgerin.

Manuela Moser / zvg
Der Berufungsweg von Marta Novak klingt auf den ersten Blick traditioneller – ist aber ebenso eindrücklich. Die gebürtige Kroatin wohnte bis vor drei Jahren mit ihrem heute achtjährigen Sohn noch in ihrem Heimatland. Bereits mit 18 Jahren hatte sie ihr Theologiestudium begonnen und nach fünf Jahren abgeschlossen. Danach folgten verschiedene Stationen: als Theologin, in der Politik und Diplomatie im Aussenministerium, als Primarlehrerin und schliesslich als Professorin am Gymnasium.
Doch in Kroatien war der Handlungsspielraum – insbesondere als Frau – begrenzt: Gleicher Lohn für alle, unabhängig von Ausbildung oder Engagement. Trotz ihres theologischen Abschlusses durfte sie nur als Katechetin arbeiten. «An einem Tag gab mein Auto den Geist auf – und ich sagte mir: Das muss ein Zeichen sein. Ich gehe in die Schweiz.»
Dort lebte bereits der Vater und Bruder von Marta Novak. Im Jahr 2022 folgte sie ihnen und begann kurzerhand als Seelsorgerin in der Pfarrei Aesch-Birmensdorf-Uitikon, wo sie bis heute tätig ist. Dank ihrem Engagement findet auch die aktuelle Missiofeier dort statt. Denn Marta Novak hat Energie, Ideen – und den Drang, Dinge zu bewegen. Umso grösser war der Schock, als sie kurz nach ihrer Ankunft in der Schweiz ins Generalvikariat nach Zürich zitiert wurde: Ihre Anstellung war formal gar nie gemeldet worden.
Doch der Weg zur offiziellen Missio wurde ihr ermöglicht – drei Jahre Ausbildung, darunter auch das dritte und letzte Pastoraljahr. «Zuerst dachte ich: Oh Gott, nach all den Jahren Ausbildung und Praxiserfahrung muss ich nochmals von vorne anfangen.» Doch wie ihre Kollegin Trütsch lobt auch sie besonders das Pastoraljahr: «Wir haben so viel gelernt.»
Ihre Berufung verbindet Novak eng mit ihrer biblischen Namensvetterin Marta. «Marta war die Schwester von Maria und Lazarus und mit Jesus befreundet», erzählt sie. Sie selbst erkennt sich vorallem in der dienenden Marta wieder. «Auch ich verliere mich oft im Alltag. Aber mein Weckruf ist dann die Vertiefung in die Sache – das Innehalten in der Hektik des Lebens.»
Als Seelsorgerin eingebunden sein - und nicht nur Ausführende.
Novak schätzt es, in der Schweiz als Seelsorgerin eingebunden zu sein – nicht nur Ausführende zu sein wie in Kroatien. Sie darf hier sogar an ökumenischen Feiern predigen. «Denn ich bin verliebt in die Bibel», sagt sie über das Buch, das sie immer wieder neu begeistert. Natürlich hat sie bei einer ihrer Predigten auch vertiefter über Marta gesprochen.
Für Anika Trütsch, die heute zu 60 Prozent in der Pfarrei St. Verena in Stäfa arbeitet und zu 40 Prozent an der Theologischen Fakultät Chur als Projektmitarbeiterin des Pastoralinstituts zum Thema Kirchenentwicklung mitwirkt, ist die Missio keine einmalige Feier der Berufung, sondern eine Mission, sich auf den Weg zu den Menschen und ihren Anliegen zu machen. «Es geht nicht darum, jemandem den eigenen Glauben aufzudrängen», sagt sie. «Sondern darum, den Dienst am Menschen zu leben – ihm Zeit zu schenken und die Botschaft des Evangeliums lebensnah und lebensrelevant weiterzugeben.»
Dieser Beitrag ist zuerst auf zhkath.ch erschienen.
Die Missiofeier findet am Samstag, 4. Oktober 2025, um 10.30 Uhr in der katholischen Kirche in Birmensdorf statt. Im Anschluss sind alle herzlich zu einem Apéro riche eingeladen – mit Zeit zum Verweilen und gemeinsamen Feiern.