Neue Sprechstunde für psychische und sexuelle Gesundheit

Die Zürcher Kantonalkirche lanciert mit Fachpersonen der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich eine «Sprechstunde psychische und sexuelle Gesundheit». Dies auch als Beitrag zur Prävention von Missbrauch.

Fanny de Tribolet und Elbar Habermeyer von der PUK (1. und 3. v.l.) sowie Bischof Joseph Maria Bonnemain (2.v.l.) und Synodalrat Andreas Kopp (r.)
Fanny de Tribolet und Elbar Habermeyer (1. und 3. v.l.) sowie Bischof Joseph Maria Bonnemain (2.v.l.) und Synodalrat Andreas Kopp (r.).

Die neue Sprechstunde sei «einzigartig», hiess es an der Pressekonferenz (PK) vom 22. September. Die Katholische Kirche im Kanton Zürich stellte dabei das neue Angebot vor, das sie gemeinsam mit Fachpersonen der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich erarbeitet hat. «Die Sprechstunde hat Modellcharakter nicht nur in der Schweiz, sondern international», sagte die mitwirkende Psychotherapeutin Fanny de Tribolet an der PK. «Mir ist kein ähnliches Angebot bekannt.»

Die Sprechstunde zur psychischen und sexuellen Gesundheit steht per sofort allen Mitarbeitenden der Katholischen Kirche im Kanton Zürich kostenlos zur Verfügung. Interessierte können anonym telefonisch Kontakt aufnehmen, später auch zu einem Gespräch im «Quadro» in Zürich-Oerlikon vorbeigehen. Die Katholische Kirche im Kanton Zürich setze sich für das Wohl ihrer Mitarbeitenden ein, heisst es im Redebeitrag von Synodalrat Andreas Kopp, der an der PK auftrat. Das neue Sprechstundeangebot sei «implizit präventiv wirksam als Massnahme gegen Missbrauch». Studien hätten gezeigt, dass unterschiedliche Gründe zu solchen Taten führten, sagt Fanny de Tribolet. «Das können Schwierigkeiten bei den persönlichen Liebes- und Sexualverhältnissen sein, Versagensängste, Machtstreben, psychische Störungen, soziale Isolation, Selbstüberschätzung, Schwierigkeit in der Grenzziehung, Bedürfnis nach Zuneigung und Aufmerksamkeit.» Die Leiterin der Präventionsstelle Pädosexualität der PUK wird auch die neue Sprechstunde leiten.

«Es geht um Prävention im Hier und Jetzt.»

Fanny de Tribolet, Psychotherapeutin

Die neue Sprechstunde solle ein Angebot sein, «das sowohl psychische Krisen bei Menschen, die in der katholischen Kirche arbeiten, verhindern soll», sagt Elmar Habermeyer, Professor und Direktor Forensische Psychiatrie und Psychotherapie der PUK, an der die neue Sprechstunde ebenso wie die Präventionsstelle Pädosexualität angesiedelt sind. Solche Krisen sollten mit Unterstützung so bewältigt werden, «dass keine psychische Störung im engeren Sinn auftritt», fügt Habermeyer hinzu. Und Menschen, die bereits psychische Störungen aufweisen, sollten so behandelt werden, dass sie «deren Symptomatik in den Griff bekommen». Und vor allem solle damit verhindert werden, dass es zu sexuellen Übergriffen kommt.

Es gehe nun also um Prävention «im Hier und Jetzt», wie de Tribolet betont. Angesprochen seien kirchliche Mitarbeitende von heute und ihre Anliegen im Kontext gesellschaftlicher Herausforderungen.

Auf eine Frage von kath.ch erklärt sie, wie das PUK-Team vorgehen würde, wenn ein kirchlicher Mitarbeiter käme, der im Jugendbereich arbeitet, aber eine sexuelle Präferenz für diese Altersgruppe hat. Meist kämen solche Menschen, die bereits ein Problemverständnis hätten, so de Tribolet. Mit einer solchen Person werden dann darauf hingearbeitet, dass sie die Stelle wechselt. Dann gehe es darum zu verstehen, woher diese Problematik komme und wie er oder sie damit umgehen könnte. Insbesondere gehe es darum herauszufinden, wo der Mensch noch sein Verhalten kontrollieren könne, wo nicht mehr. Und dann setze die Therapie an. Dabei sei entscheidend: Der Patient müsse bereit für Veränderungen sein.

Am Sprechstunde-Angebot beteiligt sich das vierköpfige Team, das auch an der Präventionsstelle Pädosexualität arbeitet. Sie verfügen über psychotherapeutische, psychiatrische, sexualtherapeutische und forensische Expertise, wie ihre Leiterin de Tribolet sagt.

Die Fachleute haben eine berufliche Schweigepflicht – und diese gelte hier besonders im Verhältnis zur Kirche. Umgekehrt haben sie eine Meldepflicht. Und dies im Fall einer potenziellen Eigen- oder Fremdgefährdung. «Solche Meldungen gehen nicht an die Kirche, sondern werden PUK-intern weitergeleitet oder gelangen an die Staatsanwaltschaft», sagt de Tribolet.

«Die Kultur der Besprechbarkeit wird damit lebendig und bleibt kein Papiertiger.»

Bischof Joseph Maria Bonnemain

An der PK trat auch der Bischof von Chur auf, der Kanton Zürich ist Teil seines Bistums. «Ich unterstütze die Einrichtung einer Sprechstunde für psychische und sexuelle Gesundheit mit Überzeugung», sagte Bischof Joseph Maria Bonnemain. «Die neue Sprechstunde ist ein wichtiger Bestandteil im gesamten Konzept der Prävention im kirchlichen Kontext», betonte er.

Er sieht sie als Anlaufstelle für Seelsorgende und andere Mitarbeitende, die aus verschiedenen Gründen in eine instabile Lage geraten seien – etwa durch Suchtverhalten. Hier würden sie einen geschützten Rahmen erhalten, um darüber zu reden.

Mit dem Zitat des Apostels Paulus «Wenn ich schwach bin, dann bin ich stark» illustrierte Bonnemain, wie wichtig es ist, zu den eigenen Schwächen stehen zu können. Die Sprechstunde sei ein gutes Projekt: «Die Kultur der Sprechbarkeit wird damit lebendig und bleibt kein Papiertiger.» «Sprechbarkeit» wird im Kontext von Missbrauch gebraucht und bedeutet: Schwierige Themen bereden zu können.

Er werde sich dafür einsetzen, dass die anderen sechs Bistumskantone sich an diesem neuen Angebot beteiligten, versprach Bonnemain.

Für Simon Spengler, Leiter Kommunikation der Zürcher Kantonalkirche, ermöglicht die Sprechstunde eine ganz neue Herangehensweise an die Missbrauchsproblematik. Bisher sie die Devise gewesen: «Man muss die Bösen finden und aussortieren.» Das sei bei der Sprechstunde anders: «Wir wollen niemanden aussortieren prinzipiell, sondern integrieren.»

Die Sprechstunde kostet die Katholische Kirche im Kanton Zürich rund 88’000 Franken pro Jahr, informiert Synodalrat Andreas Kopp. Sie sei auf drei Jahre angelegt – bis im Dezember 2028. Danach wird sie evaluiert und über eine Weiterführung entschieden.

Die Initiative für eine solche Sprechstunde ging von Stefan Loppacher aus, wie Kopp in seinem Redebeitrag schreibt. Der Leiter der «Fachstelle Missbrauch im kirchlichen Kontext» sei 2024 mit einer Projektskizze an den Bereichsleiter Seelsorge Gesundheit und Inklusion der Kantonalkirche gelangt.

Gemeinsam mit Fachexperten der PUK wurde das Projekt entwickelt, in einer beratenden Kommission und im Runden Tisch mit Bischof Bonnemain vertieft. Am vergangenen 6. Juni hiess der Synodalrat die dafür notwendigen Finanzmittel gut.

Alle wichtigen Infos zur neuen Sprechstunde hier.

Dieser Beitrag ist auf kath.ch erschienen.