Glauben heute

Was Gott erschaffen hat, muss der Mensch bewahren

«Am Anfang erschuf Gott den Himmel und die Erde» (Genesis 1,1). Dieser erste Satz der Tora beschreibt nicht nur den Beginn der Welt, sondern auch den Anfang der menschlichen Verantwortung. Diese zeigt sich bereits in Gottes ersten Worten an den Menschen (Genesis 1,28): «Seid fruchtbar, füllt die Erde und bezwinget sie.» Rabbi Elchanan Samet betont, dass diese Aussage keine religiöse Pflicht im engeren Sinn ist, sondern eine Beschreibung des menschlichen Verhältnisses zur Welt. In Zeiten ökologischer Krise wird diese Beziehung neu befragt: Haben wir unsere Aufgabe verantwortungsvoll wahrgenommen?

Dabei ist nicht nur das Verhältnis zur Umwelt relevant, sondern auch zur Mitmenschlichkeit. Als Gott Kain nach dem Verbleib seines Bruders Abel fragt, antwortet dieser: «Bin ich der Hüter meines Bruders?» (Genesis 4,9). Rabbi Joseph Soloveitchik versteht dies als zentrale Aussage über das Menschsein: Wer Verantwortung übernimmt, der ist wahrhaft Mensch.

Die jüdische Tradition fordert auch Verantwortung gegenüber Tieren. Das Verbot, Fleisch mit dem Blut noch in der Seele zu essen (Genesis 9,4) ist ein Symbol für Empathie gegenüber dem Tierleben. 

In Deuteronomium 20,19 warnt die Tora, Bäume bei einer Belagerung unnötig zu fällen. Rabbi Samson Raphael Hirsch sieht darin einen allgemeinen Aufruf: Wer Ressourcen aus Gier oder Nachlässigkeit verschwendet, handelt nicht als Mensch im Sinne der Tora. 

Eine der Sammlungen zur Auslegung der Midrasch (Kohelet Raba 7,13) fasst diese Ethik in einer Legende über den Garten Eden: «Als der Heilige, gesegnet sei Er, Adam, den ersten Menschen, erschuf, nahm Er ihn und zeigte ihm alle Bäume im Garten Eden und sprach zu ihm: ‹Sieh Meine Schöpfung, wie schön und vorbildlich sie ist. Alles, was Ich geschaffen habe, habe Ich für dich geschaffen. Achte darauf, dass du Meine Welt nicht ruinierst und zerstörst, denn wenn du sie zerstörst, wird niemand da sein, der sie nach dir wiederherstellt.›» Diese Mahnung bleibt hochaktuell – ökologisch, sozial und spirituell.