360 Grad

Industrieschick, Güterzüge und die Italianità

Vom Kirchturm raus in die Welt: Ein Blick rund um die Pfarrei St. Josef im Zürcher Industriequartier.

Industriequartier? Die Wohnblöcke haben sich schick gemacht, gegen die Schienen hin. Die SBB-Züge rollen dort ein und aus, von den SBB-Bähnlern und ihren Familien wohnt aber kaum noch jemand in den Blöcken. Der neue Schlot der Wärmeversorgung Zürich West strahlt frisch rot-weiss-rot-weiss, das Kornhaus hat sich zum zweithöchsten Turm der Stadt aufgerichtet, in dezentem Betonkleid. Die Güterzüge hat Remo Eggenberger schon mehrfach in das Weizenlager rollen sehen, hier wird aus dem Korn tatsächlich Mehl produziert. Die Biersilos am Löwenbräu-Areal hingegen sind jetzt Kulisse für Kunst der Gegenwart. Ein Jahr wohnt Eggenberger als Administrator der Pfarrei hier und erlebt die «Herausforderung Stadt»: «Wir sind mittendrin. Die Leute sind sehr beschäftigt.» Die Dorfatmosphäre unter den Alteingesessenen mag er, mit den schnell wechselnden Zuzügern komme aber die Anonymität. Auch Seelsorger Gian Rudin, seit sechs Jahren im Quartier unterwegs, beobachtet sie und macht sich Sorgen. Die Gemeinschaftsorte seien rar – und jetzt sei auch noch der gern genutzte Kiosk auf der Josefswiese abgebrannt. 

Gian Rudin weist Richtung Limmatplatz, auf einen Treffpunkt im Quartier, ein Kebab-Restaurant. Geführt als Familienbetrieb, lange Öffnungszeiten, breites Essens-Angebot, auch italienische Speisen. Gerade kommt Rudin von einer Abdankung: «Ich kannte den Mann von dort. Er hatte keine Angehörigen, wir standen zu dritt am Grab.» Remo Eggenberger zeigt hinunter zum Italiener an der Ecke, dessen Tische unlängst den Platz vor der Kirche belebten. Italianità! Spätestens, wenn Eggenberger seine Vespa, Modell VM1T, Baujahr 1953, auf die Strasse stellt. Er nennt sie Valeria. Und lässt sie im Kirchturm wohnen, unten drin.

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