Glauben heute

Zuhause ist nicht nur ein Ort

Sie gehört zu den beliebtesten Fragen in der Schweiz – und mir bereitet sie regelmässig Unbehagen: «Woher kommst du?» Dabei schaut mich jeweils ein interessiertes und offenherziges Augenpaar an. Dann folgt Stille. Mir ist nicht klar, wonach gefragt wird. Woher ich gerade eben komme? Vom Zug! Wo ich aufgewachsen bin? Wo ich aktuell wohne? Den Ort, der mich über viele Jahre geprägt hat? Oder gar welcher Abstammung ich bin? Ich wage mir kaum auszumalen, was diese Frage bei Menschen ohne «europäischem Aussehen» und Schweizer Dialekt auszulösen vermag. In meinem Fall kein «Othering»: Ich werde nicht als fremd oder als nicht zugehörig wahrgenommen.

 So oder so finde ich die Frage unpassend, weil zu komplex für Smalltalk – zumindest aber finde ich sie unpräzise. Auch wenn ich die gutgemeinte Absicht dahinter nachvollziehen kann. Im Gespräch stellt sich meist heraus, dass die fragende Person sich selbst ohne Probleme zuordnen kann, einer Ortschaft oder einem Kanton. Die Häufigkeit der Frage weist auf eine ausgeprägte helvetische Sesshaftigkeit hin. Diese interessiert mich aber weniger, vielmehr zieht es mich zur Frage, was Menschen sich zuhause fühlen lässt?

Sind es bestimmte Landschaften, der Klang einer Sprache, die Gerüche, die Temperatur und Luftfeuchtigkeit und andere sinnlich erfahrbare Dinge? Oder die Art, wie Menschen sich begegnen, miteinander reden, sich berühren, einander zugehörig fühlen? Zuhause sein an einem Ort oder bei Menschen schliesst sich gegenseitig nicht aus.

Auch Religion oder gar Konfession kann das Gefühl von zuhause wecken. Der Duft von Kerzenwachs, die Feuchtigkeit von alten Kirchen, gewisse Lieder, vertraute Formulierungen in der Liturgie oder auch eine neue, achtsame Sprache nah an meinen Erfahrungen. Manches weckt ein Wohlgefühl, anderes Irritation oder ein befremdliches Gefühl.

Wirklich zuhause fühle ich mich, wenn ich gesehen werde, mein Menschsein Platz hat und ich das mit verschiedenen Sinnen erfahre. Die nahen Beziehungen machen es aus, sie sind bedeutsam und aussagekräftig. Woher ich komme, bleibt dabei völlig nebensächlich.