Dolores Waser Balmer hat schon Betroffene ans Grab jenes Priesters begleitet, der sie vor Jahren missbraucht hatte. «Manche brauchen einen physischen Ort für die Aufarbeitung», weiss sie. Eine externe Opferstelle kann diese Begleitung im kirchlichen Umfeld nicht in gleichem Masse bieten. «Daher braucht es nach wie vor kircheninterne Meldestellen», ist sie überzeugt. Als Pflegefachfrau hat sie im Kinderspital gearbeitet, leitete das Kinderschutzzentrum St. Gallen und ist auch Präventionsbeauftragte des Bistums St. Gallen. «Ich bin seit 18 Jahren mit der Missbrauchs-Thematik befasst», sagt sie. Mit diesem Hintergrund kann sie als Präventionsbeauftragte im Bistum Chur mit vielen Beispielen aus ihrem Erfahrungsschatz Fragen zu Nähe und Distanz in Seelsorge beleuchten, aber auch die Brücke zum Alltag anderer Berufe schlagen.
Als Armeeseelsorgerin, Projektleiterin, Erwachsenenbildnerin, Mitglied des VBS-Krisenstabes und Militär-Richterin sowie als ehemalige Leiterin des Fachbereiches «Junge Erwachsene und Berufung» im Bistum St. Gallen bringt auch die Theologin Elena Furrer viel Knowhow in die Präventionsarbeit. «Manche denken, Missbrauchs-Prävention gehe sie nichts an», sagt sie. «Aber Machtmissbrauch oder übergriffiges Verhalten geschieht oft schnell und allenfalls unüberlegt und bleibt dann unreflektiert stehen.» Für solche oft unbewussten Verhaltensweisen, die zu Missbrauch führen können, wollen die beiden Frauen sensibilisieren: In den Kursen, die alle Angestellten der Katholischen Kirche besuchen müssen, ob sie nun in der Seelsorge, als Sakristanin oder im Büro tätig sind. Sie gehen aber auch auf Anfragen von kirchlichen Vereinen, Pfarreigruppen oder Gemeinschaften ein, um mit ihnen Präventionskonzepte zu erarbeiten oder gewünschte Themen zu vertiefen. So begleitet Dolores Waser Balmer ein Kloster in der Thematik «Spiritueller Missbrauch». Sie staunt, «wie die Schwestern trotz Verletzungen bereit sind, sich auf das Thema einzulassen und Neues zu wagen.» Elena Furrer findet es spannend, mit Menschen unterwegs zu sein, «die etwas verändern wollen, bereit sind, ihre Handlungen zu reflektieren, die mithelfen wollen, die Kirche weiterzuentwickeln». Die beiden Frauen sind «nach wie vor überzeugt, dass wir als Kirche eine wertvolle Botschaft haben und den Auftrag, diese weiterzugeben. Das können wir aber nur, wenn wir uns als ganze Kirche verändern – auch die Institution.»