Ums Haar wäre der Brief mit der Verleihung der Ehrendoktorwürde im Altpapier gelandet. Priorin Irene hatte das Schreiben der Universität Fribourg für einen Dankesbrief gehalten. Die Ehrendoktorwürde sieht die Priorin des Klosters Fahr als Wertschätzung für ihre jahrzehntelange Feldforschung im Kloster. Komplimente kann die Benediktinerin gut annehmen, «weil ich weiss, dass ich viele Fähigkeiten geschenkt bekommen habe, für die ich dankbar bin».
In diesem Jahr ist Priorin Irene 60 Jahre alt geworden. Nächstes Jahr sind es 40 Jahre her, seit sie ins Kloster eingetreten ist. Vor 22 Jahren wurde sie als jüngste Schwester zur Priorin gewählt. Das sind viele Gründe zum Feiern. Aber über all der Freude steht doch die Erkenntnis, dass auch die Fahrer Klostergemeinschaft altert und stirbt. Aber Priorin Irene glaubt daran, dass die Vision, die das Kloster einst hervorgebracht hat, weiterleben wird: «Das Ziel ist, dass auch in Zukunft Menschen an diesem Ort spirituelle Heimat finden.» Bis dahin, meint sie, brauche es Geduld, Zuversicht und viele Entscheide. Einer von grosser Tragweite war die Schliessung der Bäuerinnen-Schule im Jahr 2013. «Wenn ich einen Entscheid fälle, dann bin ich mir sicher, das Richtige zu tun. Das war so bei der Schliessung der Schule und als ich ins Kloster eingetreten bin.»
Sie höre immer wieder: «Seid mutig und feiert Eucharistie ohne Priester.» Aber dieser Entscheid ist für Priorin Irene keine Mutfrage, sondern eine Frage der Zugehörigkeit zur Gemeinschaft der Kirche und der Solidarität mit ihren Schwestern. Derartige Entscheide fällt sie mit ihnen gemeinsam. Abgesehen davon geht es der Ordensfrau nicht um das Frauenpriestertum, sondern um einen grundlegenden Wandel in der Kirche, der zu einem gleichberechtigten Miteinander führe und zu einem neuen Ämterverständnis. «Ohne die Unterstützung vieler Frauen ausserhalb der Klostermauern könnte ich meine Aufgaben im Kloster nicht meistern», sagt Priorin Irene. Das sind Menschen rund um das «Gebet am Donnerstag», der Frauenrat der Bischofskonferenz oder die Gruppe «Kirche mit* den Frauen». Um die eigene Macht als Priorin nicht zu missbrauchen, spricht sie alle wichtigen Entscheide mit ihren Schwestern ab. Aber vor allem will sie gut zuhören. Etwa dann, wenn die Schwestern berichten, dass sie an ihre Grenzen kommen. So haben alle Ordensfrauen im Fahr seit vergangenem Oktober einen halben Tag frei.