Kino unter Leuten

«Reading Lolita in Tehran»

Autoritäre Regimes wissen genau, weshalb sie Bücher verbieten. Sie fürchten die öffnende Kraft der Imagination: Was lesbar ist, könnte denkbar werden und machbar erscheinen.

Als die Literaturwissenschaftlerin Azar Nafisi 1979 – fast zeitgleich mit dem Ausbruch der Islamischen Revolution – aus den USA in ihr Heimatland, den Iran, zurückkehrt, ahnt sie nicht, wie existenziell sie selbst die Sprengkraft von Büchern erfahren wird.

An der Universität Teheran unterrichtet sie englische Literatur. Die Lektüre von «The Great Gatsby» löst bei ihren Studentinnen und Studenten zwar emotionale Diskussionen über Moral und Frauenbild aus, aber Nafisi gelingt es gerade noch, diese Kontroverse als akademische Debatte zu moderieren.

Als jedoch Studentinnen eingesperrt, gefoltert, vergewaltigt und hingerichtet werden, nur weil sie als Frauen frei denken und reden, gibt es für Nafisi nichts mehr zu moderieren. Bücher, die gedanklich herausfordern könnten, werden verboten. Und schliesslich wird auch Nafisi selbst praktisch in ihre Familienwohnung eingesperrt, weil sie nicht bereit ist, sich den Zwängen des Regimes zu beugen.

In erzwungener Heimlichkeit gründet sie mit sechs ehemaligen Studentinnen einen Lese­zirkel. Gemeinsam lesen sie Vladimir Nabokov, Henry James und Jane Austen. Und jetzt geht es bei der Lektüre um alles. Das Frauenbild in der Literatur wird zum Spiegel der Unter­drückung im realen Leben. Die Imagination von Freiheit, Respekt und Würde wird zur Lebensnotwendigkeit.

«Reading Lolita in Tehran» ist an einigen Stellen etwas gar viel Lehrstück für literarisch und historisch Versierte. Im Kern wird aber eine universelle Geschichte erzählt, auf die man sich einlassen sollte, denn es ist erschütternd, wie sehr diese Geschichte von gestern uns heute herausfordert. Immer noch und immer wieder werden an viel zu vielen Orten Bücher- und Denkverbote ausgesprochen, weil Machthaber die befreiende und verändernde Kraft der Imagination fürchten.

—Reading Lolita in Tehran
von Eran Riklis
Italien, Israel 2024
Besetzung: Golshifteh Farahani, Zar Amir, Mina Kavani, Bahar Beihaghi, Isabella Nefar, Raha Rahbari, Lara Wolf, Arash Marandi …

Wir schauen uns «Reading Lolita in Tehran» gemeinsam an.
Dienstag, 8. Juli, 17.45 Uhr
Kino Arthouse Le Paris (Gottfried-Keller-Strasse 7, 8001 Zürich)
Infos & Ticketkauf

Wichtiger Hinweis:
Eine Anmeldung ist nicht erforderlich. Alle Teilnehmerinnen/Teilnehmer besorgen sich eigenständig eine reguläre Eintrittskarte an der Kinokasse oder im Vorverkauf.
Von der Redaktion ist mit dabei: Thomas Binotto