Regionale Story

Mit dem Wind segeln

Es ist mir wichtig, mit Menschen in verschiedensten Lebenswelten unterwegs zu sein. Inhaftierte Personen im Gefängnis sind immer in einer Ausnahmesituation. Da muss ich mich ganz in meinem Zentrum verankern: Da sein, offen sein, aufmerksam zuhören. Das ist eigentliche Seelsorge. Die Menschen sollen sich wahrgenommen fühlen und erfahren: ich bin nicht allein.

Vieles hat in meinen Tätigkeiten mit dem Hören zu tun – auch als Kontemplationslehrer: Hören auf Gott, und Hören in mich hinein. Dieses Bedürfnis, diese Sehnsucht nach Stille, wird je länger je stärker. Beim Pilgern oder in der Kontemplation nehme ich mir die Zeit, um zu sehen, was aus meiner Seele auftaucht, und setze mich damit auseinander. Je besser ich mich kenne, umso besser kann ich mich auf andere Menschen einlassen. Denn die Grundthemen, die uns beschäftigen, sind dieselben. Das vermittle ich auch in den Schulungen, die ich gebe, im Pastoraljahr für Theologinnen und Theologen oder für angehende muslimische Seelsorgende. Meinen Mitarbeitenden sage ich immer wieder: du kannst nur ein guter Seelsorger, eine gute Seelsorgerin sein, wenn du zu deiner eigenen Seele Sorge trägst.

Zum Verarbeiten haben wir zudem professionelle Instrumente wie Super- oder Intervision. Erholung geniesse ich bei Skitouren oder alpinen Fernwanderungen mit meiner Frau, von Basel nach Ventimiglia oder von Thalwil nach Triest. In der Natur tanke ich auf, so auch beim Segeln: wohin der Wind uns treibt. Das ist auch ein Sinnbild für mich: mit dem arbeiten, was da ist. Auf den Wind achten, und im Teamwork entsprechend die Segel stellen. In all meiner Arbeit erlebe ich immer wieder: In echten Begegnungen passiert viel. Oft schwingt etwas in mir nach, nicht belastend, sondern beschenkend.