Kommentar

Die Kraft der Frauen

Im Juli findet die Fussball-EM der Frauen in der Schweiz statt. Für Bänz Friedli ein Grund, sich restlos zu freuen.

Bänz Friedli ist Autor und Kabarettist. Er macht sich seit vielen Jahren für den Fussball der Frauen stark, unter anderem mit seinem Kinderbuch «Machs wie Abby, Sascha!», von dem Radio SRF eine Hörspielfassung realisiert hat.

Ein Plädoyer? Hat der Frauenfussball nicht mehr nötig. Und allein der Begriff ist absurd: «Frauenfussball». Dem Ausdruck wohnt die Herablassung bereits inne. Der «richtige» Fussball sei derjenige der Männer, wird impliziert. Betreiben die Kambundji-Schwestern «Frauenleichtathletik»? Fährt Lara Gut «Frauenski»? Die Frauen spielen Fussball, Punkt.

Und sie sind gerade dabei, die Ungleichbehandlung wettzumachen, die ihnen jahrzehntelang widerfahren ist. Fast überall, auch in der Schweiz, war ihnen das Fussballspiel bis 1970 schlicht verboten. Die Männer haben einen historischen Vorsprung von rund hundert Jahren, medial wurden sie bis vor kurzem krass bevorteilt. Die erste Live-Übertragung eines Liga-Spiels von Frauen hatte das Schweizer Fernsehen erst 2020 im Programm.

Seither ist viel passiert. Auf die Frage, was am 2. Juli, dem Eröffnungstag der EM-Endrunde, geschehen werde, gab Pia Sundhage, die Trainerin der Schweizer Equipe, unlängst eine nahezu poetische Antwort: «Ihr werdet unterschiedliche Farben tragen, andere Fahnen schwenken, in verschiedenen Sprachen singen», sagte sie zum Publikum, «aber ihr werdet in dieselbe Richtung marschieren, und es wird friedlich sein. Denn ihr werdet die Kraft der Frauen feiern.»

Sundhage fasst in Worte, was ich an den letzten EM-Turnieren der Frauen in den Niederlanden und in England erlebt habe: Friedliche Stimmung und Freude am Spiel, eine Kultur des Miteinanders in den Stadien. Weder rassistische Kommentare noch homophobe Gesänge. Stattdessen klatschten sich Fans «gegnerischer» Teams nach einem schönen Tor ab, egal, wem es gelungen war.

Korruption, irrwitzige Gehälter und dubiose Geldgeber, Gewalt auf Rasen und Rängen – was den Fussball der Männer so ungeniessbar gemacht hat, fehlt bei den Frauen. Ihr Fussball ist unverdorbener. «Sogar die Spielerfrauen sind besser, im Frauenfussball», scherzte ich in meinem letzten Kabarettprogramm. Weil die Akteurinnen mit unterschiedlichen sexuellen Ausrichtungen so viel lockerer umgehen als die Männer. Lesbische Spielerinnen müssen sich nicht verstecken, wie es schwule Fussballer immer noch tun.

Je mehr Geld ins Business fliesse, desto korrumpierter werde auch der Fussball der Frauen – ich kenne diese Einwände. Je mehr Leute sich interessierten, desto mehr Ausschreitungen werde es geben. Beides falsch. Gerade die wenigen US-Fussballerinnen, die Millionen verdienten, mischen sich am furchtlosesten in den öffentlichen Diskurs ein und bieten Präsident Trump am couragiertesten die Stirn. Und Gewaltexzesse rund um ein Spiel von Frauen wird es nie geben. Weil eine andere Klientel in die Stadien strömt: Frauen, Kinder, Familien.

Den Rekord an verkauften Karten hat die Schweiz jetzt schon übertroffen. Freuen wir uns auf die EM! Und, ja, es ist einfach eine Fussball-EM, keine «Frauenfussball-EM». Das hat zuletzt sogar unser Bundesrat begriffen, der anfänglich nur ein Vierzigstel des Betrags ans Turnier bezahlen wollte, den er 2008 für die Heim-EM der Männer entrichtet hatte. Ein Vierzigstel!

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