Addio Francesco

Franziskus war ein Papst der Gesten und Zeichen. Wir blicken mit einem ikonischen Bild auf sein Pontifikat zurück.

Papst Franziskus auf dem leeren Platz vor dem Petersdom während der Corona-Pandemie.
27. März 2020: Papst Franziskus auf dem leeren Petersplatz.

Am 27. März 2020 steht Papst Franziskus auf dem leeren Petersplatz. Elf Tage zuvor hat der Bundesrat den Lockdown beschlossen. Und nicht nur in der Schweiz – weltweit werden die Menschen von Isolation, Zukunftsangst, Hilflosigkeit geplagt. Covid hat den Erdkreis im Griff. In diesem Moment, einem verregneten Freitagabend, gibt Franziskus einen ausserordentlichen Segen für die Stadt Rom und den ganzen Erdkreis: Urbi et Orbi.

Sein Hinstehen wird als Signal weit über die Kirche hinaus wahrgenommen. Ganz bewusst wendet er sich auch nicht nur an die Gläubigen: «Uns wurde klar, dass wir alle im selben Boot sitzen, alle schwach und orientierungslos sind.» So beginnt Franziskus seine Ansprache und hebt zu einem für ihn typischen Dreischritt an. Nach dem ersten, dem Erkennen der Gemeinsamkeit, folgt der zweite Schritt: Die Wertschätzung jedes einzelnen Menschen, denn wir alle sind «zugleich wichtig und notwendig». Und daraus folgt der dritte, «denn alle sind wir dazu aufgerufen, gemeinsam zu rudern, alle müssen wir uns gegenseitig beistehen. Auf diesem Boot … befinden wir uns alle.»

Dieses Bild auf dem Petersplatz ist ein Sinnbild für das gesamte Pontifikat. Der Papst steht zwar im Vatikan, aber er wendet sich der Welt zu. Er wählt sich den Bettlermönch Franziskus zum Vorbild. Zieht ins Gästehaus statt in den Papstpalast ein. Lässt die roten Schuhe rechts liegen. Spricht eine Sprache, die verstanden wird. Hat die Ränder der Gesellschaft im Blick.

Auf diesem Weg ist Franziskus ein Papst, der auf die Kraft starker Symbole vertraut. Seine erste Reise führt ihn 2013 auf die Insel Lampedusa, wo er die Gleichgültigkeit gegenüber dem Flüchtlingsleid anklagt. Und auch dieses Bild, wie er in der Fastenzeit allein auf dem Petersplatz steht, um allen Menschen Mut zuzusprechen, wird zum ikonischen Moment. Weil keine Masse von Gläubigen den Platz besetzt, kann Franziskus für alle da sein.

Gleichzeitig wirkt er in dieser vatikanischen Abenddämmerung auch etwas verloren. Die Erhabenheit der Architektur drückt. Die absolutistische Struktur der Kirche wird sichtbar und macht Franziskus zu einer einsamen Gestalt.

Er stellte sich für die Menschen hin.
Und stand doch oft allein.

Es wird aber auch etwas vom trotzigen Geist dieses Papstes sichtbar. Er zieht das jetzt durch. Wenn’s sein muss allein. Legendär wie er der Kurie – also seinem engsten Mitarbeiterstab – einst die Leviten gelesen hat. Fünfzehn Krankheiten der Römisch-katholischen Kirche hat er – als Weihnachtsansprache – mit aller Klarheit beim Namen genannt, darunter «geistige und geistliche Versteinerung» und «existentielle Leere». Eine wahrscheinlich notwendige Brandrede – aber auch ziemlich gnadenlos.

Franziskus hat während der Pandemie die Zeichen der Zeit erkannt – wie so oft in seiner Amtszeit. Er hat als Papst immer wieder benannt, was es sozial, ökologisch, politisch und auch in der Kirche geschlagen hat. Aber ein Teamplayer war er nie. Ein unsynodaler Papst, der sich
für Synodalität stark macht? Wie geht das zusammen? Vielleicht dann, wenn wir in Franziskus auch in der Diskrepanz zwischen Wollen und Können unseren Mitbruder erkennen. Am 27. März 2020 hat er für die gesamte Menschheit, für jedes einzelne Menschenwesen und für sich selbst um mehr Gemeinsinn gebetet: «Mut zu finden, Räume zu öffnen, in denen sich alle berufen fühlen, und neue Formen der Gastfreundschaft, Geschwisterlichkeit und Solidarität zuzulassen.»