Wie ist das, wenn ein Mitbruder plötzlich Papst ist?
Es war ein besonderer Moment, als sein Name genannt wurde. Nach «Robertum Francis…» wussten wir, jetzt kommt «Prevost». Wir hätten uns das ja nicht zu wünschen gewagt, aber wir haben schon mal gescherzt: er wäre ein guter Papst. Als er es nun geworden ist, waren wir alle sprachlos, überwältigt. Dann hat sich in mir eine wohltuende Stille ausgebreitet, ich fühlte mich geborgen und sicher.
Welche Qualitäten, die Augustiner aufgrund ihrer Prägung mitbringen, wird er besonders gut brauchen können?
Auf der Loggia hat er das Augustinuswort gesagt: «Ich bin mit euch Christ und für euch Bischof.» Auch schon als Ordensoberer war ihm bewusst, dass er mit uns zusammen gehen will und muss, und er wird das auch mit der Weltkirche tun. Er schaut, wo die Leute stehen, achtet darauf, dass keiner abgehängt wird, aber auch keiner voranprescht. Es ist seine Qualität, er hat die Menschen im Blick. Er war mit seinen Ordensbrüdern zusammen auf der Suche nach Gott, dann mit seiner Diözese, und das wird er nun auch mit der Weltkirche tun. Er ist ein guter Zuhörer, weiss aber auch, was er will. Er wird uns auch mal herausfordern, schätze ich.
Was ist das Wesentliche in der Spiritualität der Augustiner?
In der Ordensregel steht, dass wir in Eintracht miteinander wohnen sollen, wie ein Herz und eine Seele gemeinsam auf dem Weg zu Gott. Das heisst, wir sollen Freundschaft pflegen in Christus, den Blick für die Ordensbrüder, aber auch für alle Menschen um uns offen haben, und so das Evangelium gemeinsam voranbringen und das Leben gelingen lassen.
Hatten Sie als Leiter Ihrer Ordensgemeinschaft vor Ort direkt mit ihm als weltweiten Ordensleiter zu tun? Waren Sie da auch mal anderer Meinung als er?
In meiner Zeit als Regionalvikar hatte ich mit ihm zu tun, wir sahen uns bei Generalkapiteln oder Konferenzen in Rom, und als Generalprior hat er alle Klöster besucht, so auch unseres. Wir waren nicht unterschiedlicher Meinung, aber er ist ein Mensch, der einen herausfordern kann. Er hält nach Lösungen Ausschau und sieht manchmal solche, an die man gar nicht denkt oder die man sich im ersten Moment nicht wünscht. Im Nachhinein haben sich diese aber alle als gut heraus gestellt. Und er hat sie nie aufgedrängt, sondern im Dialog mit uns entwickelt. Wären wir mal in Konflikt geraten, dann hätte er sicher im Gespräch den Konflikt zu lösen versucht, so wie ich ihn einschätze. Denn das ist seine Stärke, er geht mit den Brüdern und schaut, was möglich ist. Und fragt, um was es denn letztlich geht. Wenn wir merken, es geht um Christus, werden wir auch fähig, mal ein Bedürfnis hintan zu stellen oder aber es auch klar zu formulieren. Um der Liebe willen, für die Gemeinschaft, für die Weltkirche. Er zeigte uns auf, dass jeder von uns ein Kind Gottes ist, von Gott geliebt. Daher ist auch das Gegenüber von Gott geliebt und verlangt mir Respekt und Wohlwollen ab.

Im November 2024 feierte Robert Prevost als Kardinal einen Festgottesdienst zum 675. Weihetag der Augustinerkirche in Wien. In der Reihe vor ihm zieht Pater Dominic Sadrawetz in die Kirche ein.
Franz Josef Rupprecht / kathbild.at
Vor Kurzem, im November 2024, hatte Kardinal Prevost Ihre Gemeinschaft besucht. Was hat er Ihnen mit auf den Weg gegeben?
Es war das Fest Allerheiligen, aber auch 675 Jahre seit der Weihe unserer Augustinerkirche. Er hat uns zum Evangelium der Seligpreisungen darauf hingewiesen, dass wir uns als Christen immer wieder neu entscheiden müssen, um auf der Spur von Christus zu bleiben: Für die Armut im Geiste statt für Reichtum und Macht, für Barmherzigkeit statt Rache und Hass, für Frieden statt Konflikte. Das oft auch entgegen der Welt, die anders denkt. Er sagte auch, Gott hat uns ohne uns erschaffen, aber er wird uns nicht ohne uns erlösen. Er möchte unsere Entscheidung für den Weg mit ihm.
Welchen persönlichen Eindruck hatten Sie bei Ihren Begegnungen von ihm?
Als er auf die Loggia trat, habe ich ihn voll und ganz wiedergespiegelt gesehen, wie ich ihn auch hier bei uns erlebte: Er kommt, ist präsent, schaut um sich, versucht Kontakt aufzunehmen. Er beginnt erst zu reden, wenn er alle wahrgenommen hat. Dann tritt er mit Liebenswürdigkeit und Freundlichkeit, aber auch mit Konsequenz in Aktion, aber immer einladend. Er hat auch einen feinen Humor, ich denke, das wird ihm jetzt sicher helfen. Immer wenn ich ihm begegnet bin, fühlte ich mich geborgen und ermutigt, wie wenn neuer Rückenwind mich vorwärtsträgt. Ich war und bin gern Priester und gern Augustiner, aber jetzt bin ich es noch lieber! So war er schon als Oberer: er hat uns ermutigt und aufgerichtet. Ich bin überzeugt, wenn wir uns nun gemeinsam mit ihm darauf besinnen, worum es geht, dann werden viele der offenen, innerkirchlichen Fragen, die anstehen, eine Antwort finden, aus dem christlichen Geist. Wenn wir die Fragen von Christus her denken und leben, dann bin ich überzeugt, wird sich ein neuer Weg zeigen. So habe ich es mit ihm erlebt im Orden.
Pater Dominic Sadrawetz OSA (*1966) ist in Wasserburg am Inn D geboren und trat 1985 in die Ordensgemeinschaft der Augustiner ein. Seither hat er verschiedene Aufgaben und Leitungsrollen inne, unter anderem ist er Prior des Wiener Augustinerklosters, also der Leiter der Gemeinschaft vor Ort. Er leitet auch eine Pfarrei in Aspersdorf im Bundesland Niederösterreich. Sadrawetz ist dem neuen Papst Leo XIV. mehrfach begegnet, als dieser die weltweite Augustinergemeinschaft leitete. Zuletzt begegneten die beiden einander im November 2024 in Wien, als Robert Prevost einem Festgottesdienst zum 675. Weihetag der Augustinerkirche in Wien vorstand.