Meine Sicht auf Schokolade hat sich im Laufe der Jahre verändert. Sie ist mit mir mitgewachsen. Wenn ich als Kind an Schokolade dachte, kamen mir Osterhasen in den Sinn oder der Weihnachtsbaum mit vielen glitzernden Schokoladenzapfen. Und ja, natürlich dachte ich auch an die fröhlichen Kinder aus der Werbung, die mit schokoladenverschmierten Mündern überglücklich ihre Eltern anstrahlten. Später dann, zwischen zwanzig und dreissig, hörte ich oft: Schokolade hilft gegen Liebeskummer – da, iss! Und so brachte ich Schokolade mit Trost, Belohnung oder Nervennahrung in Verbindung. Welches Bild wir von Schokolade im Kopf haben, hängt oft mit Traditionen zusammen, beeinflusst durch Werbung und Erfahrungen. Jetzt, mit Ende dreissig, denke ich nochmals anders. Aber beginnen wir von vorne.

Mirko Ries
Anja Steiner
ist gelernte Köchin und hat mehrere Jahre in der Gastronomie gearbeitet. Sie ist Rezeptautorin, Foodstylistin und Texterin.
Es liegt bereits ein Geruch in der Luft: leicht herb, nussig und ein bisschen erdig. Der Geruch von frisch gerösteten Kakaobohnen. Ich stehe mitten im Kakaobohnenlager der Schokoladenmanufaktur Taucherli in Adliswil. Lukas Bosshart, Mitinhaber und Geschäftsführer, und sein achtköpfiges Team produzieren hier Schokoladentafeln, die in erster Linie für ihre Geschmacksnoten bekannt sind. «Cocoloco» zum Beispiel, eine weisse Schokolade mit Kokosraspeln, oder «Mais» mit Maisstückchen und zerbröselten Tortilla-Chips. Die bekannteste Taucherli-Schokolade ist aber wohl «Petazeta»: Eine Milchschokolade mit Knallbrause, die im Mund prickelt, sobald die Schokolade schmilzt. Und schon sind sie wieder da, die Kindheitserinnerungen!
In der Mitte des Raums steht eine Trommel, in der Rapssamen für die Raps-Schokolade geröstet werden. Die Rapssamen bezieht das Unternehmen aus dem Raum Zürich. Und auch bei allen anderen Rohstoffen, abgesehen von der Kakaobohne natürlich, werden die Produkte wo immer möglich lokal bezogen. Die Kakaobohnen hingegen werden importiert: aus fair gehandelten Quellen aus Südamerika, Asien und Afrika. So erklärt mir Lukas Bosshart und zeigt auf prall gefüllte Jutesäcke mit Kakaobohnen. «Beim Herstellungsprozess setzen wir auf Bean to Bar, also von der Bohne bis zur fertigen Tafel». Eine Produktionsmethode, die für Transparenz, Qualität und nachhaltige, fair gehandelte Schokolade steht.

Lukas Bosshart von der der Schokoladenmanufaktur Taucherli in Adliswil.
Christoph Wider
Viele Schokoladenmanufakturen schreiben Nachhaltigkeit gross. Das versucht auch Taucherli. Bei der Premium- Schokoladenlinie «Fine Flavors» ist auf jeder Tafel ein QR-Code zu finden. Folgt man dem Code, erfährt man Details zum Kakao: Herkunft, Erntejahr, Röst- und Conchierzeit. «So möchten wir Transparenz für die Konsumentinnen und Konsumenten schaffen», meint Lukas Bosshart. Was ebenfalls zur Transparenz gehört, ist die enge Zusammenarbeit mit den Bauern. «Wir kennen unsere Bauern persönlich, uns ist es wichtig, dass wir sie fair bezahlen. Wann immer möglich beziehen wir direkt von den Bauern ohne Zwischenhändler – also Direct Sourcing.» Die Kakaobauern kultivieren mehrheitlich Mischwälder. Das heisst: Die Bauern pflanzen keine Plantagen an und ernten sie danach ab, sondern pflanzen verschiedene Baumarten. So schützen sie den Boden, reduzieren Schädlinge auf natürliche Weise und fördern die Aromenvielfalt des Kakaos. Das Ganze braucht zwar viel mehr Zeit, ist auf lange Sicht aber nachhaltiger.
Schauen wir uns den Prozess etwas genauer an. Im Herkunftsland ernten die Bäuerinnen und Bauern den Kakao meist zweimal im Jahr, einmal bei der Trockenernte, einmal bei der Feuchternte. Anschliessend legen sie die Bohnen für einige Tage auf Bananenblätter oder in Holzkisten, um sie zu fermentieren. Dabei entfaltet sich bereits sehr viel Aroma. Nach der Fermentation trocknen sie den Kakao. Etwa zwei Wochen nach der Ernte wird er in Säcke verpackt und verschifft. Ab diesem Zeitpunkt übernimmt Taucherli den Prozess. Mit dem Bean-to-Bar-Ansatz findet die Herstellung in nur einer Manufaktur statt und grenzt sich so von industriell hergestellter Schokolade ab. Bis Schokolade entstanden sein wird, haben die Bohnen nun noch drei Schritte vor sich: Fermentieren, Rösten und Conchieren.
Inzwischen stehen wir in einem Raum voller Maschinen. Es ist laut und wir müssen uns gegenseitig ein bisschen anschreien. Hier riecht es nun unverkennbar nach Schokolade. Warmer Schokolade. Taucherli röstet die angelieferten Bohnen je nach Rezeptur im Ofen bei etwa 120 Grad. Danach brechen sie die Bohnen. Dabei entstehen die sogenannten Kakaonibs: pure, unverarbeitete Schokolade mit einem herben, intensiv schokoladigen und leicht nussigen Geschmack. Anschliessend zerkleinern sie die Kakaonibs in einer Steinwalze, bis eine feine Kakaomasse entsteht. Diese mahlt Taucherli gemeinsam mit Kakobutter, Zucker und natürlicher Vanille in einer Kugelmühle. Bei Milchschokolade fügen sie zusätzlich Milchpulver hinzu. Danach conchieren sie die Masse – bei den «Fine Flavors» dauert dieser Prozess bis zu 120 Stunden. Durch diesen Vorgang verfeinert sich die Textur der Schokolade. «Je höher der Kakaoanteil, desto länger dauert das Conchieren», meint Bosshart. Nach dem Conchieren wird die Schokolade temperiert, in Formen gegossen und verpackt. Farbenfroh und sauber aufgereiht, liegen die Schokoladen nun im Lager zum Verkauf bereit.
Bean to Bar ist auch die Grundlage von Laflor. Die zweite Schokoladenmanufaktur, die ich besuche, ist in Zürich-Altstetten zuhause. «Kein guter Kakao, keine gute Schokolade», erklärt mir Laura Schälchli, während sie ein Glas mit heisser Schokolade – hundertprozentiger! – zum Trinken vor mir abstellt. Ich probiere und bin überrascht. Etwa so fühlt es sich an, wenn man das erste Mal einen richtig guten schwarzen Kaffee ohne Milch und Zucker trinkt: intensiv, herb und leicht bitter. Mit jedem weiteren Schluck macht mir das Getränk mehr Spass. Offenbar bin ich nicht die Einzige, die so empfindet. Für die Besucherinnen und Besucher bei Laflor geht bei den Schokoladen-Tastings oft eine neue Welt auf, meint Laura Schälchli. «Viele realisieren, dass eine Schokolade auch fruchtig, säuerlich oder würzig schmecken kann.» Obwohl viele Konsumenten und Konsumentinnen anfangs etwas skeptisch sind, war die Nachfrage nach hundertprozentiger Schokolade da. Also haben Laura Schälchli und ihr Team eine «Einsteiger-Schokolade» mit hundertprozentigem Kakao entwickelt. Schokolade soll erlebbar werden.

Laura Schälchli arbeitet bei der Schokoladenmanufaktur LaFlor in Zürich-Altstetten.
Christoph Wider
Mit der Idee, eine transparente Schokoladenmanufaktur mit nachhaltigen Werten zu schaffen, wurde Laura Schälchli 2016 zur Mitbegründerin von Laflor. «Wir sind ein Teil der neuen Schokoladenwelt: Weniger Zucker, weniger Milch, mehr Transparenz. Die industriell hergestellte Schokolade, also die Grossen, hinken da etwas hinterher. Dafür können sie Schokolade in einer anderen Preiskategorie anbieten.» Laflor produziert kleine Chargen. Je kleiner die Produktionsmenge, umso intensiver das Aroma. «Wir legen sehr grossen Wert auf Nachhaltigkeit, die Aromatik hat aber schlussendlich immer Vorrang. In erster Linie wollen wir gute Schokolade machen.» Was oft vergessen geht: Kakao ist eine Frucht, ein Naturprodukt, das immer anders schmecken kann. Es gibt viele Einflüsse, die den Charakter und Geschmack einer Schokolade beeinflussen. Wird die Kakaobohne beispielsweise nicht richtig fermentiert, wäre die Schokolade bitter und ohne Aroma. Das Wetter hat ebenfalls einen Einfluss. Und natürlich die Biodiversität – die spielt eine zentrale Rolle.
Womit wir wieder beim Thema Nachhaltigkeit wären – denn Nachhaltigkeit und Biodiversität gehen Hand in Hand. «Dank Biodiversität haben wir eine Aromenvielfalt. Nachhaltigkeit bedeutet also nicht nur, dass wir den Bauern faire Löhne zahlen, sondern auch die geschmackliche Vielfalt, die durch Biodiversität und den Anbau verschiedener Kakaosorten entsteht», so Laura Schälchli. Laflor hat, wie Taucherli, verschiedene «Single Origins»: also Kakao, der aus einer einzigen geografischen Region stammt. Das kann ein bestimmtes Land, eine einzelne Plantage oder sogar ein spezifisches Anbaugebiet innerhalb einer Farm sein – das wäre dann das sogenannte «Single Farm». Jede Single-Origin-Region hat bei Laflor einen anderen Fokus. Bei den einen ist es ein soziales Projekt, bei anderen wiederum schaut man mehr auf die Nachhaltigkeit. Laflor bezieht ihren Kakao aus Brasilien, Ecuador, Peru, Venezuela und Kolumbien. Das Unternehmen setzt sich einerseits für den Erhalt alter Kakaosorten, andererseits für den Erhalt alter Kulturgüter ein.

Forum
Schwierige Arbeitsbedingungen
Rund 60 % des weltweiten Kakaos stammt aus der Elfenbeinküste und aus Ghana. Dort arbeiten 1.5 Millionen Kinder unter missbräuchlichen Bedingungen im Anbau mit. Einer der Gründe: Das durch die Kakaoproduktion generierte Einkommen reicht nicht zum Leben.
Klimawandel hat Auswirkungen
Um Kakao zu produzieren, werden in Westafrika riesige Waldflächen abgeholzt. Ausserdem macht der Klimawandel den Kakaopflanzen
zu schaffen. Unter anderem sind sie anfälliger für Krankheiten. Die Ernteausfälle versuchen die Bauern und Bäuerinnen mit dem Einsatz von Dünger und Pestiziden zu kompensieren.
Hohe Preise als Chance
Derzeit ist der Kakaopreis auf einem Rekordhoch. Das hat mit Ernteausfällen, steigender Nachfrage und damit zu tun, dass der Preis für Kakao über lange Zeit zu tief war und die Produktionskosten nicht richtig abgebildet hat. Das könnte eine Chance sein, um den Kakaoproduzentinnen und -produzenten nun langfristig ein existenzsicherndes Einkommen zu ermöglichen.
Nachhaltigkeit ist gefragt
Das wachsende zivilgesellschaftliche Engagement und die wachsende lokale Wertschöpfung in Westafrika sind Lichtblicke. Ausserdem gibt es immer mehr Konsumentinnen und Konsumenten, die qualitativ hochwertige und sozial und nachhaltige Schokolade verlangen.
Eine meiner Lieblingsschokoladen aus ihrem Sortiment enthält Farina Bona – geröstetes Maismehl. Das passt auch historisch zusammen: Bereits vor tausenden von Jahren kultivierten die Menschen in Mesoamerika Mais und Kakao. «Wenn es ein Weg ist, um Kulturgut zu erhalten, dann machen wir Schokolade damit.»
Laflor sagt, sie seien von nachhaltigem Wirtschaften überzeugt: Sie arbeiten so weit wie möglich mit biologischen Produkten aus nahen Betrieben, liefern so viel wie möglich per Velokurier und verpacken die Schokolade in kompostierbares Papier. Und was mich sehr berührt: Die Kakaobohnen aus Kolumbien werden CO2-neutral mit dem Segelschiff geliefert. Ich stelle mir vor, wie das Segelschiff, vollbepackt mit Kakaobohnen, durch die Wellen gleitet. Vom Wind getrieben. Weiter, immer weiter Richtung Holland und schlussendlich nach Zürich-Altstetten. Ich spüre schon fast das Salz im Haar und die Meeresluft in der Nase. Ganz so romantisch wie in meinen Vorstellungen wird es kaum sein. Tatsächlich aber setzt sich die niederländische Organisation Fairtransport für den umweltfreundlichen Warentransport ohne fossile Brennstoffe ein. Mit dem Segelfrachter «Tres Hombres» werden Kakaobohnen, Rum, Zucker und Kaffee klimaneutral über den Atlantik bis nach Amsterdam transportiert. «Uns geht es um reduzierte Emissionen», meint Laura Schälchli, «wir wollen zeigen, dass es auch anders geht».
Ein grosses Problem ist die aktuelle Kakaokrise. «Es fehlt massiv Kakao auf dem Markt», meint Lukas Bosshart von Taucherli. Die Preise werden trotzdem nur punktuell erhöht, denn die langfristige Strategie bleibt klar: «Wir sind Premium und wollen nicht Luxus werden.» Die grösste Herausforderung sei nicht nur der hohe Preis, sondern die Verfügbarkeit der Bohnen. Trotzdem sieht Lukas Bosshart auch eine positive Seite: «Die Krise führt zu einer Bereinigung im Markt und zwingt zu Innovation. Ausserdem erhalten die Bauern endlich eine fairere Entlöhnung und können das Geld nachhaltig ins Land investieren.» Das Hauptproblem ist die Abhängigkeit von Ghana und der Elfenbeinküste. Durch die idealen klimatischen Bedingungen wurden viele Monokulturen angebaut, die aber auch viel anfälliger für Krankheiten sind. Ghana und die Elfenbeinküste liefern etwa 60 Prozent der weltweiten Kakaoproduktion. Auch Laflor erlebt die drastischen Preissteigerungen hautnah. «Wir sind mit den Preisen um zehn Prozent hoch, aber unsere Marge ist klein.»
Wenn ich jetzt also an Schokolade denke, denke ich an das Segelschiff, mitten im atlantischen Ozean. An Kakaobohnen auf Bananenblättern und an Biodiversität. Durch die intensive Auseinandersetzung ist Schokolade für mich zu einem Symbol der Verantwortung geworden. Die Zukunft der Schokolade hängt von fairen Arbeitsbedingungen, dem Schutz der Natur und dem Erhalt von Traditionen ab. Schokolade soll nicht nur Genuss sein, sondern uns auch bewusst machen, wie wichtig es ist, eine nachhaltige Zukunft zu gestalten.

Anja Steiner
Osterschokoladen-Kuchen
Zubereitungszeit: ca. 20 Minuten / Backen: ca. 45 Minuten
Zutaten
• Butter für die Form
• ca. 220 g Schokolade, (z. B. Osterhasenschokolade, Schoggieili)
• 200 g Butter
• 150 g Zucker
• 2 Prisen Salz
• 200 g gemahlene Mandeln
• 2 TL Backpulver
• 4 Eier
• Kakaopulver
• Osterschokolade und Zuckereili für die Dekoration
Zubereitung
Backofen auf 180°C vorheizen. Springform-Boden (Ø 24 cm) mit Backpapier auslegen, den Rand mit Butter auspinseln. Schokolade in kleine Stücke brechen und mit der Butter in eine Schüssel geben. Wenig Wasser in einer Pfanne aufkochen. Hitze auf die kleinste Stufe reduzieren und Schüssel auf die Pfanne stellen. Butter und Schokolade langsam schmelzen lassen und gelegentlich umrühren. Zucker, Salz, Mandeln und Backpulver mit der Schokolade mischen. Eier verquirlen, beigeben. Masse gut verrühren, in die Form füllen und in der Ofenmitte ca. 45 Minuten backen.
Kuchen auskühlen lassen. Mit Kakopulver bestäuben und mit restlicher Osterschokolade oder Zuckereili dekorieren.
Tipp:
Dieser Kuchen eignet sich hervorragend, um übrig gebliebene Osterschokolade zu verwerten – ob Osterhase, Schoggiei, weisse, dunkle oder Milchschokolade, alles kann darin verarbeitet werden.
Schoggifestival Ehrundredlich
13. April 2025, Kulturareal Mühle Tiefenbrunnen
Eine der Partnerorganisationen ist die Katholische Kirche im Kanton Zürich.