
Ruedi Widmer
Wir üben uns von Klein auf in der Zerstörung von Denkpausen. Bereits als Kinder fordern wir pausenlos schnelle Entscheidungen. Rasch! Jetzt!! Sofort!!! – Damit können wir Eltern auf Dauertrab halten. Bis bei ihnen endlich der Groschen fällt und sie mit der feierlichen Proklamation von Denkpausen kontern: «Moment mal! Ich muss mir das kurz überlegen …» Nicht selten hat sich die Entscheidung damit bereits erübrigt, denn bevor sie fällt, steht bereits das nächste Sofort an.
Es gibt Menschen, die kommen nie aus ihrem quängelnden, zwängelnden, drängelnden Dauergeschrei raus. Und deshalb stürzen sich diese Denkpausenzerstörer so furios ins Web. Jetzt können sie mich, uns und manchmal sogar sich selbst nerven, wann immer und wo immer sie wollen. Wie gestresst es derweil gerade am anderen Ende der digitalen Leitung aussieht? Schnurzepiepegal! – «Ich schreie, also bin ich.» Rasch! Jetzt!! Sofort!!!
Ich bin es mehr und mehr leid, mich im grossen Geschrei bemerkbar zu machen. Ich sehne mich nach friedvollen Denkpausen. Und fürchte mich vor dem ärgsten Feind der Denkpause: dem Schnellschuss, der nicht zufällig die Sprache des Krieges spricht. Ich träume von Pausen fürs echte Denken, in denen ich vom verzweckten Denken ablassen kann. Denkpausen, die Hand in Hand mit der Langeweile gehen. Eine lange Weile für befreites Denken.
In solcher Langeweile sollen schon wundervollste Gedanken gewachsen sein: Verständnis für andere Menschen, ein eigener Beitrag zur Problemlösung, mein Angebot zum Frieden. Das soll deshalb mein frommer Osterwunsch sein: Mehr Denkpausen für wirklich gute Gedanken. Und das nicht bloss unter der Dusche.