Sie werden im kommenden März 75 Jahre alt. Wie feiert man im Vatikan Geburtstag?
Kardinal Kurt Koch: (lacht) In der Schweiz wird der Geburtstag intensiver gefeiert als im Vatikan. Ich nehme an, dass es in meiner Behörde einen Kaffee und eine Ansprache geben wird und dass die Mitarbeitenden mir ein Happy Birthday singen.
Wird der Papst Ihnen in irgendeiner Form gratulieren?
Das weiss ich nicht. Der Papst pflegt jeweils zum Namenstag Glückwünsche zu senden, nicht zum Geburtstag.
Bischöfe müssen dem Papst mit 75 ihren Rücktritt anbieten. Wie ist das bei Kardinälen?
Das ist ebenso. Alle Vorsteher von Dikasterien reichen mit 75 ihre Demission ein, der Papst entscheidet, ob er diese annimmt oder nicht.
Angenommen, der Papst nimmt Ihren Rücktritt an: Wären Sie froh?
Ich mache mir vorab keine Gedanken darüber. Wenn keine gesundheitlichen Gründe geltend gemacht werden, entscheidet der Papst die Frage, ob er den Kardinal in dieser Funktion weiterhin braucht. Wegfallen würde in meinem Fall die Hauptarbeit, nämlich die Leitung des Dikasteriums zur Förderung der Einheit der Christen. Die Arbeit als Mitglieder in anderen Dikasterien wird zumeist bis zum 80. Geburtstag weitergeführt.
Was gefällt Ihnen am Kardinalsamt besser als am Bischofsamt?
Als Diözesanbischof hat man eine konkrete Gemeinschaft vor sich, mit vielen Besuchen in den Pfarreien. In meinem Dikasterium habe ich die Aufgabe, mit allen christlichen Kirchen in Kontakt zu sein, darum reise ich sehr viel. Bischöfliche Aufgaben wie Firmungen nehme ich nur noch selten wahr, vereinzelt kommen solche Anfragen aus der Schweiz. Doch ich bin jetzt für die Universalkirche zuständig, nicht für die Schweiz.
In Pastoralräumen hierzulande scheitern ökumenische Projekte bisweilen an den personellen Ressourcen. Was sagen Sie als Ökumeneminister dazu?
Ökumene ist nicht einfach eine zusätzliche Arbeit, sondern vielmehr eine Brille, mit der ich alle meine Aufgaben anschaue: Wie nehme ich meinen Dienst in ökumenischer Verantwortung wahr? Seelsorge ist ohnehin eine Aufgabe ohne Ende. Es ist unumgänglich, Prioritäten zu setzen.
Und Sie erwarten, dass man diese bei der Ökumene setzt.
Die Ökumene ist eine Priorität unter anderen. Der Vorteil von Pastoralräumen ist, dass man Aufgaben aufteilen kann. Jemand könnte spezifisch für die ökumenischen Beziehungen zuständig sein, die anderen wären davon etwas entlastet. Ich spüre immer wieder eine gewisse Resistenz gegenüber den Pastoralräumen, weil jeder und jede gern Chef oder Chefin im eigenen Haus sein will.
Sehen Sie in der zunehmenden Säkularisierung eine Chance für die Ökumene, etwa dass wir gemeinsam als Christinnen und Christen besser sichtbar sind?
Die Säkularisierung kann der Anlass für Ökumene sein, aber niemals der Grund. Im Johannesevangelium (17,21) betet Jesus: «Sie sollen eins sein, damit die Welt glaubt, dass du mich gesandt hast.» Dem Willen Jesu zu entsprechen, ist der Grund für die Ökumene. Die Säkularisierung kann ein Anlass sein, dass man sagt: Wir müssen zusammenarbeiten, weil wir in einer schwierigen Situation sind.
Von jüdischer Seite wird bedauert, dass der Papst die Anschläge der Hamas nicht explizit verurteilt. Haben Sie eine Erklärung dafür?
Der Papst hat die Anschläge in allgemeiner Weise verurteilt. Er hat zudem eine Repräsentantin der Geiseln und eine Repräsentantin des palästinensischen Volkes zu sich eingeladen. Das ist seine Art, auf den Konflikt zu reagieren. Der Heilige Stuhl sieht seine Aufgabe darin, Konflikte lösen zu helfen und in Konflikten zu vermitteln. Um das zu können, braucht es eine gewisse Neutralität. Es ist eine alte Tradition der vatikanischen Diplomatie, die guten Dienste zur Verfügung zu stellen.
Der Papst könnte sowohl die Anschläge der Hamas wie die Reaktion der israelischen Regierung verurteilen.
Er hat beides verurteilt, aber vielleicht nicht so explizit, wie man das von einem Politiker erwartet. Doch daraus darf man nicht schliessen, dass es ihn nicht berührt. In jedem Angelus-Gebet werden der Ukraine-Krieg und der Krieg in Nahost erwähnt. Und der Papst steht immer auf der Seite der Opfer.

Kurt Koch
wurde am 15. März 1950 in Emmenbrücke geboren. Von 1996 bis 2010 war er Bischof von Basel, ehe ihn Papst Benedikt XVI. zum Kardinal berief. Koch leitet heute das Dikasterium zur Förderung der Einheit der Christen und ist somit für die Ökumene zuständig.
Ökumene-Behörde des Vatikans
Kardinal Kurt Koch führt das «Dikasterium zur Förderung der Einheit der Christen». Die Entstehung dieser vatikanischen Behörde ist eng mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil verbunden.
Papst Johannes XXIII. wollte die Beteiligung der katholischen Kirche an der ökumenischen Bewegung fördern und verankern. Deshalb richtete er am 5. Juni 1960 ein «Sekretariat zur Förderung der Einheit der Christen» als eine der Vorbereitungskommissionen für das Konzil ein
Zunächst bestand die Hauptaufgabe des Sekretariats darin, die anderen Kirchen und Weltgemeinschaften einzuladen, Beobachter an das Zweite Vatikanische Konzil zu entsenden. 1963 legte der Papst fest, dass das Sekretariat aus zwei Abteilungen bestehen sollte, die sich einerseits
mit den orthodoxen Kirchen und den altorientalischen Kirchen und andererseits mit den westlichen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften befassten. 1966, nach Abschluss des Konzils, bestätigte Papst Paul VI. das Sekretariat als ständiges Dikasterium des Heiligen Stuhls.
Das Dikasterium hat im Auftrag des Papstes zwei Aufgaben zu erfüllen: Zunächst soll es innerhalb der katholischen Kirche den ökumenischen Geist im Sinne des Konzils fördern. Und gleichzeitig
soll es zur christlichen Einheit durch die Stärkung der Beziehungen zu anderen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften beitragen.
Dem Dikasterium ist zudem die «Kommission für die religiösen Beziehungen zum Judentum» zugeordnet.