Arbeiten im Vatikan ist wie auf der Achterbahn fahren: Es geht ständig auf und ab. Seit 2006 bin ich nun für den Heiligen Stuhl als Journalist im Einsatz. Damals kam ich nach einer zweijährigen Erfahrung bei der Medienstelle der Schweizer Bischofskonferenz nach Rom und wunderte mich, wie frei, selbstständig und innovativ die journalistische Arbeit bei Radio Vatikan war.
Es war damals die Anfangszeit des Pontifikats von Benedikt XVI. und was bei der Bischofskonferenz in der Schweiz galt, das war auch im Vatikan der Fall: Unbequeme Anfragen zu echten und vermeintlichen Skandalen gehören zum Alltag in der Kommunikationsarbeit der Kirche.
Aber schon immer war es so, dass Radio Vatikan – ein Sender, der seit 1931 auf Sendung ist – ohne Zensur über alles berichten konnte, was er für wichtig hielt. Eine Zensur im Vatikan würde ehrlich gesagt auch wenig Sinn machen, denn Zensur hat mit Sprache und Kultur zu tun. Die Vielfalt bei Radio Vatikan jedoch ist riesig: Wir sind heute über 40 Sprachredaktionen, mit hunderten von Journalisten aus über 60 Nationen. Welche Sprache und Kultur sollen hier den Takt vorgeben? – Italienisch? Aber nicht die ganze Welt spricht die Sprache Dantes. – Englisch? Aber nicht die Mehrheit der Katholiken ist englischsprachig. – Deshalb hat man im Vatikan, wo Erfahrung und Tradition hochgehalten werden, die Entscheidungsbefugnisse und Orientierungshilfe den Ordensgemeinschaften übertragen.
Es entstand ein zentralistisch geführtes Mediendikasterium, in dem versucht wird, möglichst in allen Sprachen dasselbe mitzuteilen.
Radio Vatikan lag von Anfang an in den Händen der Jesuiten. – Bis erstmals ein Jesuit Papst wurde. Mit ihm ging die Achterbahnfahrt weiter, und zwar mit überraschenden Wendungen. So entriss er das Radio den Händen der Jesuiten und führte alle Medieneinrichtungen des Vatikans zusammen. Resultat: Es entstand ein zentralistisch geführtes Mediendikasterium, in dem es zwar weiterhin keine Zensur gibt, aber dennoch wird versucht, möglichst in allen Sprachen dasselbe mitzuteilen. Das ist einerseits nachvollziehbar, aber auf der anderen Seite gehen die kulturellen Sensibilitäten verloren. Der Hörer gewinnt so den Eindruck, dass wir jetzt doch eine Zensurstelle eingeführt hätten, weil wir über Themen nicht mehr berichten, die früher nur bei Radio Vatikan zu hören waren.
Wo sonst erfährt man von den Kriegen und Krisen in Afrika, Südostasien oder Lateinamerika? Hinzu kommt, dass wir mit Franziskus einen Papst haben, der die Berichterstattung selber stark prägt – im Fachjargon nennen wir es «Agenda Setting». Auch deshalb haben wir nicht mehr viel Zeit und Platz, beispielsweise über die Hungerkrise in Somalia zu berichten, weil der Heilige Vater gerade einen Überraschungsbesuch in Rom gemacht oder eine ahnungslose Hausfrau angerufen hat.
Das ist dem Papst offenbar bewusst, und es passt ihm überhaupt nicht, so sehr im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stehen. So versucht er immer wieder, in seinen Ansprachen über Leute und Länder zu sprechen, die sonst kein Gehör bekommen. Die Achterbahnfahrt geht munter weiter, und was auf uns Vatikan-Journalisten zukommen wird, das werden wir alle erst noch erleben. Genau das ist das Besondere und Spannende an dieser Fahrt: ihre überraschenden Wendungen.

Christoph Wider
Mario Galgano (*1980), ehemaliger Sprecher der Schweizer Bischofskonferenz, ist seit 2006 als Redaktor bei Vatican News tätig. Vatican News entstand 2017 als Nachfolgeorganisation von Radio Vatikan. Galgano lebt mit seiner Familie in Rom. Er wird in Zukunft regelmässig exklusiv für das forum in einer persönlichen Kolumne über den Vatikan berichten.