Von Schwamendingen in den Vatikan

Seit mehr als 500 Jahren steht die Schweizergarde im Dienste der Päpste. Gleich drei Männer aus der Pfarrei St. Gallus in Schwamendingen gehören derzeit zum Corps der Päpstlichen Schweizergarde. Mit ihnen werfen wir einen Blick in die Welt der Schweizergarde.

zwei Schweizergardisten in Uniform
Raphael D'Angelo (vorne rechts) und Dominic Bergamin im Dienst der Päpstlichen Schweizergarde in Rom.

Raphael D’Angelo ist Hellebardier und seit November 2012 in der Garde. Der gelernte Hauswart hatte vor seinem Antritt in Rom in Affoltern gearbeitet. Zwar sei die Garde schon immer ein Kindheitstraum gewesen, doch als 15-Jähriger hatte er «absolut keine Lust nach Rom zu gehen», sagt er im Nachhinein. «Erst in der RS merkte ich, dass das Militärleben mir doch gefallen würde», so D’Angelo. Er wollte auf jeden Fall «mehr Erfahrungen sammeln». Deshalb trat er dann doch der Garde bei.

Der Erste aus seiner Familie sei er aber nicht gewesen, bereits sein Grossvater und zwei Onkel waren im Dienst des Papstes gestanden. «Deshalb war ich gut informiert, was ein Gardist alles machen muss und wie die Arbeit und das Leben im Vatikan sein würden », sagt er. Die eintretenden Kandidaten werden schon im Voraus einer ärztlichen Untersuchung in der Schweiz unterzogen. Ebenfalls werden während der Rekrutenschule diverse Gesundheitschecks durchgeführt. Auch müssen sie einen psychologischphysischen Test bestehen.

Schweizergardist Raphael D'Angelo

Als Hellebardier absolvieren D’Angelo und seine Gardekollegen einen sechstägigen Dienst mit jeweils sechs bis acht Arbeitsstunden pro Tag. Dann folgen jeweils drei freie Tage, die aber auch «Reservetage» genannt werden, weil die Gardisten eventuell für Sondereinsätze im Dienst stehen müssen. «Wann mein Arbeitstag beginnt, kommt auf den Dienstplan an», so D’Angelo. Ein erster Dienst beginnt um 6 Uhr in der Früh. Ein zweiter Dienst startet jeweils um 14 Uhr und die Nachtschicht ist dann ab 22 Uhr zu absolvieren. «Für mich sind diese Zeiten absolut kein Problem. Ich bin mir das vom Militär her gewohnt », fügt er an.

Die Gardisten leben in Einer- oder Zweierzimmern. Was D’Angelo besonders viel Freude bei der Garde bereitet, sind die Zusatzkurse, die angeboten werden. «Mir gefällt der Selbstverteidigungskurs, aber auch der Italienischkurs ist toll», sagt er. Das Schweizersein sei eine wichtige Voraussetzung, zumal von einem Schweizergardisten erwartet wird, dass er sich mit seinem Heimatland identifiziert und somit schweizerische Werte wie Pünktlichkeit und Genauigkeit auch lebt.

Klar vermisse er die Schweiz, auch wenn das Wetter in der Ewigen Stadt sicherlich sehr angenehm und die Gardekollegen nett sind. Heimweh ist bei den jüngeren Gardisten keine Seltenheit. Schwamendingen und die Kirche St. Gallus liegen 878 Kilometer vom Vatikan entfernt. D’Angelo war dort drei Jahre Ministrant. «Ich habe auch viel Kontakt mit meinen Schweizer Freunden und natürlich mit meinen Eltern in der Schweiz», sagt er. Es sei sicherlich strenger geworden bei der Garde im Vergleich zu den Zeiten seines Grossvaters. Doch für ihn als junger Mensch sei es wichtig, eine «besondere Erfahrung» sammeln zu können. Die Garde biete ihm eine professionelle Ausbildung, damit verbunden viele Prüfungen, was lesen und lernen bedeutet. «Aber am Schluss kann ich etwas vorweisen, was auf einem hohen Niveau liegt», so D’Angelo.

Seine Freizeit verbringt er am liebsten im Kraftraum in der Kaserne. Ansonsten ist er auch in der Bibliothek der Garde anzutreffen. «Das bietet mir eine schöne Abwechslung.» Und dann kommt es auch vor, dass er mal Gästen aus der Schweiz den Vatikan zeigen darf. Kürzlich waren Firmlinge aus Schwamendingen bei ihm.

Obwohl er erst am 6. Mai 2013 vereidigt wurde, kennt er den Vatikan mittlerweile sehr gut, mindestens so gut wie sein «Chef» Papst Franziskus, der ja ebenfalls erst seit kurzer Zeit im Vatikan lebt. Die Wege von Raphael D’Angelo und Franziskus haben sich aber noch selten durchkreuzt. Bei der diesjährigen Vereidigung kam es dann zu einem persönlichen Treffen. Es war ja schliesslich «seine » – also D’Angelos – Vereidigung. «Ansonsten hatte ich noch nicht die Ehre, mit dem Papst persönlich zu sprechen.» Der Tag der Vereidigung ist wohl der Höhepunkt im Leben eines jeden Gardisten. Wenn man im Panzer und in Gran-Gala-Uniform auf die Gardefahne schwört, greift das in das ganze Leben. «Einmal Gardist – immer Gardist», heisst es in der Kaserne und darüber hinaus.

Dominic Bergamin ist Korporal in der Schweizergarde. Der gelernte Koch arbeitete vor seinem Eintritt im Zürcher Niederdorf, bis er im Juni 2005 der Garde beitrat. Die Entscheidung fiel kurz nach der Rekrutenschule. «Ein Kollege aus dem Militär erzählte mir von der Schweizergarde, er war zwei Jahre im Vatikan im Dienst. Ausschlaggebend war für mich, dass ich etwas Neues erfahren wollte.»

Abenteuerlust, aber auch das Erlernen einer neuen Sprache haben ihn dazu bewogen, sich für den Dienst im Vatikan zu entscheiden. «Pfarrer Alfred Böni von der Pfarrei St. Gallus in Schwamendingen hat mich dann quasi hierher geschickt», berichtet Bergamin, der weiterhin eine Verbindung zu seiner Heimatpfarrei pflegt. Ein Schweizergardist ist praktizierender Katholik, so lautet eine der Grundregeln, um Gardist zu werden. Es sei eine Freude für ihn, im Herzen der römischkatholischen Kirche arbeiten zu dürfen.

Sein römischer Alltag sieht neben der regulären Arbeit auch den sogenannten Verstelldienst vor, das bedeutet, Korporal Bergamin ist vor allem bei den Grossveranstaltungen mit dem Papst bei Generalaudienzen und Gottesdiensten dabei. Dort ist er «im Publikum », um für die Sicherheit aller zu sorgen. Ansonsten trifft man ihn bei den vatikanischen Palasteingängen. Dort kontrolliert er vor allem, ob jemand berechtigt ist, den entsprechenden Raum betreten zu dürfen.

Bei besonderen Anlässen trägt Bergamin die berühmte Gala-Uniform. Die Farben Blau-Rot-Gelb sind den Traditionsfarben des Hauses Medici zu verdanken. Die blauen und gelben Stoffstreifen unterbrechen in fliessender Bewegung das Rot der Weste und der Hose. Bergamin zieht aber auch die Exerzieruniform an. Diese wird bei der Ausbildung und im Nachtdienst getragen. Die Uniform ist in blauer Farbe gehalten und hat einen weissen Kragen und weisse Manschetten.

Am Eingang St. Anna in der Nähe der Gardekaserne, wo Bergamin auch schon im Einsatz stand, wird während der Woche aus praktischen Gründen ebenfalls diese Uniform getragen, da dort die Hauptverkehrsstrasse durchführt. «Es herrscht hier ein militärisches Leben und das bedeutet Disziplin, aber für mich persönlich ist das kein Problem.»

Im Winter und bei Regen wird ein Mantel getragen, um die Uniform vor der Witterung zu schützen. An Ostern, Weihnachten und an der Vereidigung wird zur Galauniform ein Harnisch aus dem 17. Jahrhundert getragen. Dass er nun bereits seit acht Jahren im Vatikan sei, habe ihm gezeigt, wer seine «wahren Freunde» seien. «Ich habe vor allem mit zwei ehemaligen Gardisten noch viel Kontakt.»

Schweizergardist Dominic Bergamin

Sein Ziel bei der Schweizergarde in Rom sei es, auf jeden Fall weiterzumachen und eventuell im militärischen Grad aufzusteigen. «Vor allem würde ich gerne noch weitere Aufgaben übernehmen.» Er hat in diesen acht Jahren für zwei Päpste gearbeitet: «Franziskus ist sicherlich ein Papst zum Berühren, während Papst Benedikt XVI. ein grossartiger Intellektueller ist.» Aber bei beiden sei der Dienst sehr anstrengend.

Ein Treffen mit dem neuen Papst gab es für Bergamin bereits. Das sei als Korporal normal. So traf er Franziskus schon mehrmals während seines Dienstes im vatikanischen Gästehaus Santa Marta, wo der Papst derzeit wohnt. «Er grüsst immer ganz herzlich und fragt einen, wie es geht, oder spricht vielleicht über das Wetter.»

In seinen acht Jahren im Vatikan hat der junge Korporal auch andere Persönlichkeiten Schweizergarde Wer sich für den Dienst der Schweizergarde interessiert, muss folgende Voraussetzungen erfüllen: Schweizer Bürger, einwandfreier Leumund, abgeschlossene Rekrutenschule, ledig und ein Mindestalter von 19 Jahren und ein Maximalalter von 30 Jahren. Neben dem alltäglichen Dienst hat der Gardist auch Möglichkeiten, seine Freizeit in der Garde zu gestalten. Für den sportbegeisterten Gardisten gibt es eine eigene Fussballmannschaft, den FC Guardia. Wer musikalisch begabt ist, kann beim Gardespiel mitwirken. Für das leibliche Wohl sorgen fünf Albertiner Schwestern aus Polen. Nebst viel Pasta und Fleisch, gibt es auch einige schweizerische Köstlichkeiten. Im Gardequartier befindet sich auch die Schneiderei. Der Schneider fertigt dort jedem Gardisten seine massgeschneiderte Uniform an. getroffen. So führte der FC-Bayern-Fan vor kurzem Manuel Neuer, den Torhüter der Bayern, durch den Vatikan. «Ich hatte ihn zufälligerweise am vergangenen 6. Mai in der Nähe des Vatikans gesehen, ihn erkannt und angeboten, ihm meinen Arbeitsplatz zu zeigen.» Apropos Sport: Bergamin verbringt seine Freizeit am liebsten im hauseigenen Kraftraum. 

Christian Kühne dient seit Februar 2006 in der Schweizergarde. Der Feldweibel hat einen Verwandten, der Anfang der 80er-Jahre Gardist war. Dass Kühne, der ebenfalls aus Schwamendingen stammt, nach Rom gehen würde, hat wohl auch mit dem Gospel-Chor in seiner Heimatpfarrei zu tun: Dort war nämlich ebenfalls ein ehemaliger Gardist dabei. «Und so wurde für mich die Schweizergarde zu einer Option nach dem Militärdienst.»

Der militärische Umgang bei der Schweizergarde gleicht dem in der Schweizer Armee. Als kaufmännischer Angestellter arbeitete Kühne zuvor im Notariat in Oerlikon. «Als ich dort arbeitete, dachte ich überhaupt nicht an die Schweizergarde.» Aber nach drei Arbeitsjahren wollte er «frische Luft atmen» und so entschied er sich, der Garde beizutreten.

Nebst dem Erlernen einer neuen Sprache und Kultur war ihm wichtig, einmal ins Ausland und weg von zu Hause zu gehen. «Mein Ziel am Anfang war es, maximal fünf Jahre in Rom zu bleiben.» Mittlerweile sind es aber bereits sieben Jahre, denn der Dienst an Papst und Kirche sei ihm sehr ans Herz gewachsen.

«In den letzten Jahren hat sich die Garde massiv verändert», fügt Kühne an. Ein neuer Kommandant sei gekommen, dann der Papstwechsel. Die Schweizergarde musste sich in den vergangenen 500 Jahren stets neuen Gegebenheiten anpassen. Eines bleibt aber: Ein Schweizergardist ist mit seinem Auftritt auch eine Visitenkarte für den Papst.

Gleichzeitig herrscht dauernde Erneuerung, denn es kommen neue Rekruten oder ältere verlassen das Korps. «In all diesen Jahren habe ich bestimmt über 200 Gardisten kennen gelernt, die nach Abschluss ihrer Dienstzeit wieder in die Schweiz zurückgekehrt sind.» Obwohl er nicht dazugehört, pflegt er mit Schwamendingen weiterhin seine Beziehung. «Bei meinen Eltern gibt es ja noch ein Zimmer für mich.»

Schweizergardist Christian Kühne

Er sei erstaunt, wo er nach sieben Jahren in der Garde angekommen sei. Ihn habe besonders Papst Benedikt XVI. sehr geprägt. Gut kann er sich an das erste Treffen mit Benedikt erinnern – den 16. April 2006. «An diesem Tag hatte er Geburtstag und ich konnte ihm persönlich gratulieren», so Kühne, der damals erst zwei Monate in der Garde war.

Kühne hat fast das gesamte Pontifikat des deutschen Papstes erlebt. Beim Papstwechsel war er als Wachtmeister im Einsatz. Das sei eine sehr intensive Zeit gewesen. Besonders die Verabschiedung von Benedikt nach seiner Rücktrittserklärung sei ein Erlebnis gewesen, das er wohl nie vergessen werde. «Wir waren im Damasushof im Vatikan, und ich war in Uniform dabei», erinnert sich Kühne.

Auch mit Papst Franziskus gibt es oft Augenblicke des Gesprächs. «Das sind aber meistens kleine Gespräche, bei denen man sich vor allem grüsst.» Es hänge aber vom Papst ab, ob dieser mit einem Gardisten sprechen wolle oder nicht. Niemals dürfe ein Gardist den Papst zuerst ansprechen, präzisiert Kühne. Was er am meisten an der Schweiz vermisse, seien wohl die hohen Berge. Es sei aber ein Trost, dass Rom auf sieben Hügeln gebaut sei und sich in unmittelbarer Nähe viele Berge erheben. So hat der begeisterte Bergsteiger mehrere Skitouren in den Abruzzen und schon etliche Ausflüge für die Truppe organisiert. Und dann gebe es ja noch die Möglichkeit, den Papst in den Albaner Bergen zu begleiten, wo die Sommerresidenz Castel Gandolfo liegt, so Kühne.

Schweizergardist in Uniform nimmt einen der Helme.

Schweizergarde

Wer sich für den Dienst der Schweizergarde interessiert, muss folgende Voraussetzungen erfüllen: Schweizer Bürger, einwandfreier Leumund, abgeschlossene Rekrutenschule, ledig und ein Mindestalter von 19 Jahren und ein Maximalalter von 30 Jahren. Neben dem alltäglichen Dienst hat der Gardist auch Möglichkeiten, seine Freizeit in der Garde zu gestalten. Für den sportbegeisterten Gardisten gibt es eine eigene Fussballmannschaft, den FC Guardia. Wer musikalisch begabt ist, kann beim Gardespiel mitwirken. Für das leibliche Wohl sorgen fünf Albertiner Schwestern aus Polen. Nebst viel Pasta und Fleisch, gibt es auch einige schweizerische Köstlichkeiten. Im Gardequartier befindet sich auch die Schneiderei. Der Schneider fertigt dort jedem Gardisten seine massgeschneiderte Uniform an.

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