Neben den Aufgaben als Leiter seiner Diözese schrieb Kurt Koch bis heute rund 60 Bücher und Schriften, darunter «Mut des Glaubens» und «Eucharistie». 2006 erhielt er für sein Werk «Christen in Europa» einen französischen Literaturpreis, der ihm anlässlich der «Tage des christlichen Buches» im französischen Tours überreicht wurde. Nicht nur in diesem Werk spricht er über eines seiner bevorzugten Themen: die Ökumene.
Im preisgekrönten Buch, das er noch als Professor für Dogmatik und Liturgiewissenschaft in Luzern verfasst hatte, beschreibt Koch eine Werte-Krise in Europa, die er bei verschiedenen Gelegenheiten auf das «Verdunsten des Glaubens» zurückgeführt hat. Koch befürwortet eine christliche Kirche, die sich nicht in sich selber zurückzieht, sondern wichtige Werte wie Gewissensfreiheit, Gastfreundschaft, Solidarität, soziale Gerechtigkeit und unverletzliche Würde jedes Einzelnen heraushebt. Als positive Elemente der heutigen Gesellschaft nennt der neue Präsident des Einheitsrates die Öffnung zum Dialog und die Freundschaft. Koch geht davon aus, dass das Christentum auf eine «befruchtende Ökumene» zugeht.
2006 veröffentlichte Koch, zu dieser Zeit Ökumene-Beauftragter der Schweizer Bischofskonferenz, das Buch «Dass alle eins seien. Ökumenische Perspektiven». Darin nimmt er eine Standortbestimmung der Ökumene vor und sucht nach neuen Wegen in eine ökumenische Zukunft. Oberstes Ziel der Ökumene darf nach seiner Überzeugung nicht allein die gemeinsame Eucharistiefeier sein. Der «eigentliche Skandal» bestehe nämlich darin, «dass wir als Kirchen nach wie vor getrennt und als Christenheit gespalten sind», stellt Koch fest. Seinen selbstverständlichen Ort in der Gemeinschaft der Christen werde das gemeinsame Abendmahl erst nach Überwindung dieser Trennung finden.
Die gegenseitige Anerkennung kirchlicher Ämter und die eucharistische Gemeinscahft sind die «Brennpunkte des ökumenischen Dialogs».
Koch äussert sich in dem Buch auch über die Begriffe «Kirche» und «Kirchen» als ökumenisches Kernproblem. Nach katholischem Verständnis existiert die eine universale Kirche in der Vielfalt der einzelnen Ortskirchen. Im Dialog mit anderen kirchlichen Gemeinschaften, insbesondere denen, die aus der Reformation hervorgegangen sind, stelle sich deshalb die Frage nach dem Wesen der Kirche. Die Probleme der gegenseitigen Anerkennung kirchlicher Ämter und der eucharistischen Gemeinschaft sind seines Erachtens die «Brennpunkte des ökumenischen Dialogs».
Grösste Herausforderung an die Ökumene ist in Kochs Augen eine «postmoderne Grundhaltung», welche eine Anerkennung der Vielfalt und «versöhnte Verschiedenheit » als höchste erreichbare Ziele betrachtet. Dazu schreibt er: «Wie in dieser postmodernen Mentalität einer individualistischen und pluralistischen Beliebigkeit das ökumenische Grundanliegen der Suche nach sichtbarer Einheit der Kirche Jesu Christi wahrgenommen werden kann, dürfte zweifellos die grösste Herausforderung an die Ökumene sein.»
Die Kirchen der Reformation fühlten sich vor den Kopf gestossen. Auch in der Schweiz löste dies viel Unmut aus.
Zu einem herben Dämpfer in der Ökumene kam es im Jahr 2000, als die Glaubenskongregation unter ihrem Präfekten Joseph Ratzinger, dem heutigen Papst Benedikt XVI., die Erklärung «Dominus Iesus» veröffentlichte und darin erklärte: «Es gibt also eine einzige Kirche Christi, die in der katholischen Kirche subsistiert und vom Nachfolger Petri und von den Bischöfen in Gemeinschaft mit ihm geleitet wird.» Die Kirchen der Reformation fühlten sich vor den Kopf gestossen, weil ihnen quasi die Kirchlichkeit abgesprochen wurde. Auch in der Schweiz löste dies viel Unmut aus.
Bischof Kurt Koch setzte sich für Schadensbegrenzung in dieser «offensichtlich schwierig gewordenen ökumenischen Situation» ein. Er betonte immer wieder, unter anderem in einem Brief an den Präsidenten des Rates des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbundes, Thomas Wipf, dass es nicht die Absicht des Vatikan-Schreibens gewesen sei, «die aus der Reformation hervorgegangenen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften herabzusetzen oder zu diskriminieren ».
Schon gar nicht habe man Katholiken als bessere Christen hinstellen wollen. Die Hauptaussage des Textes sei vielmehr eine Selbstverständlichkeit für jeden ökumenisch Informierten, nämlich, dass die reformatorischen Kirchen keine Kirchen seien in dem Sinn, wie die katholische Kirche «sich selbst versteht und von ihren Glaubensgrundlagen her verstehen muss». Koch legte deshalb in diesem Zusammenhang nahe, nicht von «Nicht-Kirchen oder Scheinkirchen», sondern «Kirchen eines anderen Typs» zu sprechen.
Nun wird Kurt Koch neuer Präsident des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen. Damit tritt er die Nachfolge des deutschen Kurienkardinals Walter Kasper (77) an, der nach einer Annahme seines Rücktritts durch den Papst in Ruhestand geht.
Förderung der Einheit der Christen
Am 5. Juni 1960 gründete Papst Johannes XXIII. das «Sekretariat zur Förderung der Einheit der Christen» zusammen mit elf Kommissionen für die Vorbereitung des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962–1965): Das Sekretariat wurde geschaffen, «damit Unsere Liebe und Unser guter Wille gegenüber den vom Apostolischen Stuhl getrennten Christen noch sichtbarer hervortritt». Das Zweite Vatikanische Konzil formulierte schliesslich im «Ökumenismusdekret» von 1964 erstmals die Wiederherstellung der Einheit der Christen als ein vordringliches Ziel der katholischen Kirche und schuf so die theologische Grundlage für das ökumenische Gespräch.
Zum ersten Präsidenten des Einheitssekretariats berief Papst Johannes XXIII. den deutschen Kardinal Augustin Bea (1881–1968). Im Zuge der Neuordnung der Kurie durch Papst Johannes Paul II. wurde 1988 aus dem «Sekretariat» der «Päpstliche Rat für die Förderung der Einheit der Christen». An der Spitze des Einheitsrates steht seit 2001 der vormalige Bischof des Bistums Rottenburg-Stuttgart, Kardinal Walter Kasper. Dem Gremium gehören knapp 40 Mitglieder aus aller Welt an, denen zahlreiche Fachleute als Berater zur Seite stehen. Hinzu kommen rund 20 Mitarbeiter, die in den zwei Abteilungen der Kurienbehörde tätig sind.
Die sogenannte «östliche Sektion» ist für das Gespräch mit den orthodoxen Kirchen sowie mit der Assyrischen Kirche des Ostens zuständig. Der sogenannten westlichen Sektion obliegen vor allem die Kontakte zu den protestantischen Kirchen und den Anglikanern. Zudem ist dem Einheitsrat die «Kommission für die religiösen Beziehungen mit dem Judentum» angeschlossen.
Bischof Koch hat seine neue Aufgabe bereits am 1. Juli angetreten. Zudem hat ihn der Papst auf diesen Zeitpunkt hin zum Apostolischen Administrator seiner bisherigen Diözese Basel ernannt. Dies gelte bis zum Amtsantritt eines neuen Bischofs.
Bereits im Februar habe ihn der Papst nach seiner Bereitschaft zur Übernahme dieser Aufgabe gefragt, erläuterte der Bischof in einem persönlichen Schreiben an die Seelsorger seiner Diözese. Benedikt XVI. erklärte nach Kochs Angaben, es sei ihm ein wichtiges Anliegen, dass die Leitung des Einheitsrates von jemandem wahrgenommen werde, der die aus der Reformation hervorgegangenen Kirchen nicht nur aus der Literatur, sondern «aus der unmittelbaren Erfahrung» kenne. Damit habe der Papst erneut gezeigt, dass ihm nicht nur die Ökumene mit den Orthodoxen, sondern auch jene mit den Protestanten am Herzen liege, so Koch.
Der künftige «Ökumene-Minister» hofft, in seinem neuen Amt auch einen Beitrag zu einer besseren Beziehung zwischen den Ortskirchen in der Schweiz und der universalkirchlichen Verantwortung des Papstes leisten zu können. In seinem Schreiben beklagt er eine «zunehmende antirömische Stimmung» und eine «gravierende Entfremdung» gegenüber Benedikt XVI. Er weist den «in der Öffentlichkeit weit verbreiteten» Vorwurf zurück, der Papst wolle hinter die Reformen des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965) zurückgehen. Benedikt XVI. wolle die Kirche «vielmehr in die Tiefe führen».
Kurt Koch wurde 1950 in Emmenbrücke (Luzern) geboren, wo er auch aufwuchs. Er studierte Theologie an der Theologischen Fakultät in Luzern. Für zwei Jahre weilte er im Auslandsstudium in München. In der Pfarrei Sursee war er als Laientheologe tätig. 1982 wurde er von Bischof Otto Wüst zum Priester geweiht. Er wirkte darauf drei Jahre als Vikar in der Pfarrei St. Marien in Bern. Seit 1986 lehrte er in Luzern als Dozent Dogmatik und Moraltheologie. Ab 1987 wirkte er als Mitredaktor der Schweizerischen Kirchenzeitung. 1987 erwarb er das Doktorat. 1989 wurde Koch Professor für Dogmatik und Liturgiewissenschaft an der Theologischen Hochschule Luzern. Am 1. Oktober 1995 wurde er deren Dekan. Zum Bischof von Basel wurde er 1995 ernannt und am 6. Januar 1996 von Papst Johannes Paul II. selbst geweiht. Seit 2002 ist Koch Mitglied des Päpstlichen Einheitsrates. Von 2007 bis 2009 war er Präsident der Schweizer Bischofskonferenz. Seit Januar 2010 ist Koch «ständiger Gast» der Glaubenskommission der Deutschen Bischofskonferenz.